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Russisch-ukrainische VerhandlungenSelenskyj macht mit, um Trump im Boot zu halten

Wolodymyr Selenskyj hat in der Türkei gezeigt, dass Verhandlungen an ihm nicht scheitern würden. Für eine Lösung reicht das nicht.

Delegierte der Ukraine und Russlands am Freitag im Istanbuler Dolmabahce-Palast Foto: Türkisches Außenministerium/dpa

Auf Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin reiste der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in die Türkei. „Ich bin hier“, wandte sich Selenskyj an Putin, nachdem das Flugzeug auf türkischem Boden gelandet war. Allerdings war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, und sogar schon am Vortag, dass Putin nicht an dem Treffen teilnehmen würde. Warum reiste Selenskyj dennoch persönlich in die Türkei? Offenbar war dieses Drama für die Augen von US-Präsident Donald Trump bestimmt.

Nachdem Putin die Forderungen Kyjiws und die Ultimaten der Europäer hinsichtlich einer 30-tägigen bedingungslosen Waffenruhe in der Ukrai­ne ignoriert und stattdessen ein Treffen in Istanbul für direkte Verhandlungen vorgeschlagen hatte, schien der Prozess für einen Moment lang in Gang zu kommen. Selenskyj, der zuvor konsequent auf der Waffenruhe bestanden hatte, konnte die Initiative ergreifen und den Einsatz erhöhen, indem er erklärte, er werde in Ankara warten und für ein Treffen mit Putin nach Istanbul kommen. Es sollte das erste persönliche Treffen seit 2019 sein, als sie sich zuletzt im Normandie-Format in Paris getroffen hatten.

Der persönlichen Abneigung und den fehlenden Zugeständnissen Russlands zum Trotz hat Selenskyj diesen Schritt getan. Allerdings nicht in der Hoffnung, einen echten Dialog mit den Russen aufzunehmen. Selenskyj hat wiederholt betont, dass er wie die übrigen Ukrainer kein Vertrauen in die Russen hat.

Selenskyjs Hauptmotivation für die Türkei-Reise war, sein Streben nach Frieden und seine konstruktive Haltung zu demonstrieren. Und: Donald Trump keinen Anlass zu geben, ihm Sabotage der Friedensverhandlungen vorzuwerfen. „Mit unserer Anwesenheit zeigen wir, dass wir ein Ende des Kriegs wollen. Wir sind hier, damit später niemand behaupten kann, dass etwas von der Ukraine abhing und nicht erfüllt wurde“, sagte Selenskyj in Ankara. „Niemand auf ukrai­nischer Seite wird auch nur die geringste Chance auf Frieden zunichte machen.“

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Der ukrainische Präsident ist sich darüber bewusst, wie wichtig es für sein Land ist, gute Beziehungen zu den USA zu pflegen. Tatsächlich konnte er die nach dem viel beachteten Oval-Office-Streit mit Trump wieder reparieren. Ein vollwertiger Verbündeter der Ukraine sind die USA nicht mehr, gute Beziehungen sind umso wichtiger. In der Praxis bedeutet das, keine Schritte zu unternehmen, die Trump als schädlich für seine Vision zur Beendigung des Kriegs betrachten könnte. Gleichzeitig muss Selenskyj aber die für die Ukrai­ne grundlegenden roten Linien verteidigen. Und er muss alles tun, um den Status quo zu bewahren.

Ein Sanktionspaket, dass Russland wehtut

Das heißt, die bestehenden US-Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten, eine US-Anerkennung der Krim als russisches Territorium zu verhindern sowie die USA davon abzuhalten, ihre Militärhilfe für die Ukraine einzustellen. Oder schlimmer noch: ein Verbot für den Verkauf von Waffen an Europa zu verhängen, die an die ukrainische Armee weitergegeben werden.

Mit seiner Reise in die Türkei wollte Selenskyj aber nicht nur seinen Verhandlungswillen demonstrieren, sondern auch verdeutlichen, was von Putins Friedensbemühungen zu halten ist. Gemäß Selenskyjs Strategie sollte die Abwesenheit des russischen Präsidenten Trump davon überzeugen, dass Putin weder an Verhandlungen noch an einer Waffenruhe oder einem Ende des Kriegs interessiert ist. Selenskyj hofft, dass wenn kein vollständiger und bedingungsloser Waffenstillstand zustande kommt, die USA „das tun werden, was sie gesagt und versprochen haben“. Das heißt, dass sie ein Sanktionspaket verabschieden werden, das der russischen Wirtschaft wehtut.

Die Tatsache, dass Selenskyj erneut seine Führungsstärke unter Beweis gestellt hat und keinen Anlass gegeben hat, ihm mangelnde Bereitschaft zur Beendigung des Kriegs in seinem Land vorzuwerfen, entspricht nicht den Interessen Putins. Ob diese Strategie allerdings dazu führt, dass Donald Trump mehr Druck auf Russland ausübt, darf bezweifelt werden.

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2 Kommentare

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  • Ein erstes Treffen ... zumindest ein Anfang. Jetzt nur noch dranbleiben.

  • „In der Praxis bedeutet das, keine Schritte zu unternehmen, die Trump als schädlich für seine Vision zur Beendigung des Krieges betrachten könnte.“



    Eine sehr kluge Analyse, die Frau Magasowa hier liefert.



    Selenskyi und die „Koalition der Willigen“ wollen nicht das transatlantische Band zerschneiden, dass sie (noch) mit den USA verbindet, weil sie es nicht können - eher spekuliert man darauf, dass der Wind im Weißen Haus sich in vier Jahren erneut gedreht hat, zugunsten der europäischen Pläne, die Ukraine militärisch so lange im Spiel halten zu können, bis Russlands militärische und ökonomische Ressourcen aufgebraucht sind. Dann lassen sich günstigere Verhandlungsbedingungen erzielen, selbst wenn russische Truppen noch in der Ukraine stehen. Eine langfristige Strategie, von der man sich erhoffen kann, dass Putin sie nicht durchsteht.



    Bis dahin freilich muss der POTUS bei der Stange (und bei Laune) gehalten werden - dem Zwecke und keinem anderen diente das Schauspiel, das da Selenskyi am Flughafen von Ankara ablieferte.



    Dass die Amerikaner sich aus der Ukraine ganz zurückziehen werden, steht ohnehin nicht zu erwarten, solange es am Krieg dort genug zu verdienen gibt.