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Deutsches Aus bei Eishockey-WMJäher Spannungsabfall

Bei der Eishockey-WM muss das deutsche Team erstmals seit 2018 vor dem Viertelfinale die Heimreise antreten. Auch gegen Dänemark fehlt es an Energie.

Herning, 20. Mai: Dänemark gegen Deutschland, Shootout bei der Eishockey-WM, Nick Olesen trifft gegen Deutschlands Torhüter Philipp Grubauer Foto: Bo Amstruo/Scanpix/ap

Die Eishalle der dänischen Eishockey-WM-Stadt Herning wird die deutschen Eishockey-Nationalspieler vermutlich künftig in ihren Albträumen verfolgen. Einerseits wegen der Qualität des Eises, die in der Gruppenphase des Turniers einmal so WM-unwürdig war, dass im Spiel gegen Norwegen ein Loch im Eis entstand. Immerhin gewannen die DEB-Profis dieses Spiel nach Unterbrechung mit 5:2.

Doch danach entwickelte sich ein lange nicht gekannter sportlicher Albtraum mit Niederlagen gegen die Schweiz, die USA und Tschechien. Und schließlich am Dienstag ein 1:2 nach Penaltyschießen gegen Dänemark, womit die DEB-Mannschaft zum ersten Mal seit 2018 nicht ins WM-Viertelfinale einzog – was zu allgemeiner Tristesse führte. „Ich fühle mich ziemlich leer“, sagte Kapitän Moritz Seider, NHL-Profi in Detroit, nachdem im Shoot-out alle drei deutschen Schützen versagt hatten, während Dänemark zweimal traf. Stürmer Dominik Kahun vom Lausanne HC erklärte: „Ich habe nicht viele Worte. Es tut unglaublich weh, so auszuscheiden.“

Wie in solchen Fällen üblich, soll nach der Enttäuschung schnell die Suche nach den Ursachen des Scheiterns beginnen. Bundestrainer Harold Kreis („Ich bin auch frustriert“) und Sportdirektor Christian Künast werden in die Analyse gehen. Zu tief werden sie allerdings nicht graben müssen. Eines war offensichtlich: Die deutsche Mannschaft kam mental nicht mit dem Spielplan klar. Nach den leichten Begegnungen gegen Ungarn (6:1), Kasachstan (4:1) und Norwegen zum Auftakt war die Stimmung im Team offensichtlich so gut bis übermütig, dass die Wettkampfspannung nachließ.

Besonders beim 1:5 gegen die Schweiz und beim 0:5 gegen Tschechien war die Unterlegenheit der DEB-Profis eklatant. Beim 3:6 gegen die USA waren sie immerhin zwischenzeitlich auf 3:3 herangekommen. Das Spiel gegen die Dänen war ausgeglichen, der Gegner wirkte aber einen Tick frischer und selbstbewusster.

Fehlende Geschlossenheit

Kreis stand bei seinem Debüt als Bundestrainer im Jahr 2023 mit dem Nationalteam gleich im WM-Finale. In Dänemark musste er feststellen, dass die sportlichen Fortschritte der vergangenen Jahre, beginnend mit dem Olympia-Silber von 2018, auf dünnem Eis gebaut waren und sich nicht automatisch einstellen. Nur dann, wenn alles stimmt, wenn alle gleichermaßen kämpfen und das Optimale aus sich herausholen, nur dann kann die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft in der Weltspitze Akzente setzen.

Und hier lag wohl das größte Problem. Dem deutschen Team fehlte seine sonstige Stärke Nummer eins: die Geschlossenheit. Marcel Noebels, Stürmer der Eisbären Berlin, sprach es bereits vor dem Spiel gegen Dänemark deutlich an: „Wir haben im Moment das Problem, dass ein, zwei auf dem Eis arbeiten und drei gucken zu. Das müssen wir schleunigst ändern.“

Vielleicht hatte es unter anderem damit zu tun, dass der langjährige Kapitän der Nationalmannschaft, der 38-jährige Moritz Müller von den Kölner Haien, in Dänemark wegen einer Schulterverletzung fehlte. Sein Vertreter, der 14 Jahre jüngere Seider, ist zwar der mit Abstand beste deutsche Verteidiger. Ihm gelang es jedoch nicht, das Team so einzuschwören, wie es Müller stets tat. Ein älterer Spieler wie Patrick Hager (36), der in München Kapitän ist, wäre wahrscheinlich geeigneter als Stellvertreter gewesen.

Künast betonte, dass trotz der Enttäuschung „aber nicht alles schlecht“ sei. Damit hat er sicher recht. Es gibt eine breite Basis an talentierten deutschen Nationalspielern. Und wenn die Mannschaft ihre Fähigkeit wiederfindet, bei einem Turnier zusammenzuwachsen, dann kann die WM in Herning bald als Ausrutscher abgehakt werden. Die nächste Gelegenheit, es besser zu machen, bietet sich im Februar 2026 bei den Olympischen Winterspielen in Norditalien, für die das DEB-Team schon qualifiziert ist.

Im WM-Viertelfinale, das in Stockholm stattfindet, trifft Dänemark am Donnerstag auf Kanada mit Superstar Sidney Crosby – und wird voraussichtlich null Chancen haben. Aber natürlich hätten die DEB-Profis lieber selbst die Ehre gehabt, sich vom Rekordweltmeister aus dem Turnier schießen zu lassen.

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