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Politische Verfolgung in TansaniaOppositionschef vor Gericht, Solidarität verboten

Tundu Lissu, Führer von Tansanias größter Oppositionspartei Chadema, droht die Todesstrafe. Namhaften Juristen aus Kenia wird die Einreise verweigert.

Zuversichtlich: Tundu Lissu im Gerichtssaal in Daressalam, 19. Mai Foto: Derick Katunzi/ap/dpa

Kampala taz | Eskortiert von vermummten Sicherheitsleuten wird Tundu Lissu mit einem Wagen der Gefängnisbehörde vor ein Gerichtsgebäude in der Hafenstadt Daressalam vorgefahren. Polizisten schirmen ihn ab, als der Vorsitzende der Partei Chadema (Partei für Demokratie und Entwicklung), Tansanias zweitgrößte Partei und wichtigste noch verbliebene Oppositionsplattform, in Handschellen aus dem Geländewagen gezerrt wird. Dabei gelingt dem 57-Jährigen ein Sieges-Handzeichen mit zwei Fingern – das Symbol seiner Partei – bevor er ins Gerichtsgebäude geführt wird.

Der Prozess gegen Lissu hat am Montagmorgen begonnen. Tansanias wichtigster Oppositionsführer ist angeklagt wegen der Veröffentlichung von mutmaßlich falschen Aussagen auf Youtube sowie wegen Landesverrats – worauf per Gesetz die Todesstrafe steht. Er habe, so die Anklage, seine Anhänger landesweit aufgerufen, die im Oktober anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu boykottieren. Unter dem Motto „Keine Reformen – keine Wahlen“ hatte er Anfang April die Wahlkampagne seiner Partei eröffnet. Kurz darauf wurde er verhaftet.

Laut Opposition bevorzugt das bestehende Wahlsystem die Regierungspartei CCM (Chama cha Mapinduzi) von Präsidentin Samia Suluhu Hassan. Die CCM und ihr Vorgänger ist seit Tansanias Unabhängigkeit 1961 an der Macht und hat alle Wahlen seit Einführung des Mehrparteiensystems 1992 gewonnen. Chadema warf der CCM, die bei den letzten Wahlen 2020 mehr als 98 Prozent der Stimmen erhalten hatte, Wahlmanipulation vor.

Amnesty International (AI) hat in einer Erklärung vom April die „willkürliche Verhaftung“ von Oppositionellen und das harte „Durchgreifen“ im Vorfeld der Wahlen verurteilt. In den vergangenen Monaten wurden bereits mehrere Chadema-Politiker festgenommen, kamen jedoch wieder frei. Während der Regionalwahlen im Herbst vergangenen Jahres wurden laut Chadema-Angaben drei ihrer Kandidaten getötet.

Kenias Ex-Justizministerin Martha Karua deportiert

Am Wochenende kam es im Vorfeld der Anhörung von Tundu Lissu bereits zum Skandal. Aus dem Nachbarland Kenia waren zwei prominente Anwälte nach Tansania eingeflogen, um das Verteidigungsteam von Lissu zu unterstützen. Lissu ist von Haus aus selbst Anwalt, war einst Vorsitzender des tansanischen Anwaltsverbandes. Er hat weit über die tansanischen Grenzen hinaus unter afrikanischen Juristen Freunde und Mitstreiter, darunter die kenianische Menschenrechtsanwältin und ehemalige Justizministerin Martha Karua sowie der berühmte kenianische Richter Willy Mutunga.

Gemeinsam waren sie nach Daressalam gereist, wo sie aber am Sonntag schon am Flughafen festgenommen und letztlich nach Kenia zurück deportiert wurden, wie sie angeben. Tansanias Regierung hat bislang keine Erklärung dazu abgegeben.

Menschenrechtsanwältin Karua hat sich bereits in Uganda für den dortigen Oppositionellen Kizza Besigye, einst Vorsitzender der FDC (Forum für Demokratischen Wandel), starkgemacht. Er muss sich unter anderem vor dem Militärgericht verantworten – ebenso wegen Landesverrats. Ihm wird vorgeworfen, mit Waffengewalt einen Umsturz gegen das Regime von Präsident Yoweri Museveni anzetteln zu wollen.

Im vergangenen Herbst war Besigye von Unbekannten in Kenias Hauptstadt Nairobi aus seinem Hotelzimmer entführt und mit Gewalt nach Uganda ins Militärgefängnis gebracht worden. Karua sitzt nun einem 50-köpfigen Anwalts­team vor, das Besigye vor dem Militärgericht in Kampala verteidigt.

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