Preisverleihungen in der Gamingbranche: Wer am besten unterhält, gewinnt das Preisgeld
Eine aufwendige Preisverleihung vs. ein cozy Indiespielfestival. Unsere Autorin hat beide besucht und zieht daraus Schlüsse für die Gamingbranche.

D er Mann am Empfang drückt mir mein Namensschild in die Hand – „Presse“ steht da drauf – und fängt heute zum wahrscheinlich 100. Mal an, den straffen Plan für den Abend runterzurattern. Ich nicke, kann mir aber nichts merken. Dann geht’s in den Vorraum des Palais am Funkturm in Berlin. Menschen stehen in kleinen Grüppchen an ein paar Dutzend Stehtischen.
Ich gehe zu einem der Kühlschränke und zerre an der Tür, um eine Cola rauszuholen. „Um 18 Uhr erst“, sagt eine Angestellte. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 17:52. Hmpf. Während ich mir einen Stehtisch aussuche, merke ich, wie sich die Fake-Leder-Beschichtung meiner Tasche auflöst und in meine Hand krümelt. Bis die Preisverleihung beginnt, dauert es noch zwei Stunden, und ich fühle mich wie meine Tasche.
Vergangenen Mittwoch war ich zum ersten Mal bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. Die Aufmachung der Show ist ein bisschen wie bei den Oscars oder beim ESC: dramatische Musik, Kamerafahrten übers Publikum und jeder zweite Satz der Moderator:innen versucht, ein Witz zu sein. Alle hier nehmen sich und die Preise sehr wichtig.
Dabei sind die Preisgelder verglichen mit den Produktionskosten eines Spiels ein Witz. Ich sehe ein, dass Preisverleihungen wichtig sind, um Deutschland als Standort für Entwickler:innenstudios zu stärken. Cool ist auch, dass auch kleine Studios gewinnen können, wenn sie zum Beispiel mit ihrem Audio-Design überzeugen. Gleichzeitig hat man das Gefühl, es geht bei allen Spielen nur ums Entertainment, sonst nichts. Wer am besten unterhält, gewinnt.
Mehr LAN-Party als Branchenevent
Dabei können Spiele so viel mehr als unterhalten. Am nächsten Morgen gehe ich auf noch eine Gaming-Veranstaltung: das A-Maze Festival im Berliner Wedding. Laut Selbstbeschreibung sollen sich hier Künstler:innen und Entwickler:innen von Indie-Games treffen. „Indie“ steht für independent, also unabhängig. Was ein Spiel dazu macht, ist nicht klar definiert. Meistens werden sie von kleinen Studios und mit geringem Budget entwickelt.
Auch beim A-Maze bekomme ich erst mal ein Namensschild, auf das ich aber dieses Mal selbst meinen Namen und meine Pronomen schreibe. Dann geht’s eine Betonrampe hinunter in den Keller. Unten angekommen wirkt alles wie eine einzige große LAN-Party. In dem verwinkelten Gebäude stehen Dutzende kleine Tischgruppen mit PCs, auf denen man Spiele ausprobieren kann.
Jedes Ausstellungsstück ist interaktiv. Alle zocken irgendwas oder schauen anderen dabei zu. Nebenan finden Panels statt. Bei A-Maze sind Spiele mehr als Entertainment und mehr als Produkte eines algorithmen- und eskapismusgetriebenen Konsums. Spiele dürfen den Status quo hinterfragen, sie sollen Menschen zum Denken anregen. Festivals wie A-Maze machen Hoffnung. Denn sie zeigen, dass es neben der profitorientierten Gamingwelt noch eine andere, kleinere, nichtkommerzielle Welt gibt, die sich selbst organisiert. Hier dürfen Spiele anders sein, mit Erwartungen brechen und einfach Kunst sein.
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