Bundesnetzagentur-Chef zum Blackout: „Wir müssen daraus lernen“
Ein Stromausfall wie in Spanien sei in Deutschland sehr unwahrscheinlich, sagt Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur. Gibt es einen Notfallplan?

taz: Herr Müller, kann ein Blackout über viele Stunden wie auf der Iberischen Halbinsel auch in Deutschland passieren?
Klaus Müller: Das ist sehr unwahrscheinlich. Wir haben in Deutschland ein redundantes Stromsystem, was Netze und weitere Sicherungselemente angeht.
taz: Was heißt redundant?
Müller: Das bedeutet, dass immer eine Leitung ausfallen kann, weil es eine zweite Leitung gibt, die sie ersetzen kann. Damit gibt es eine hohe Stabilität und Sicherheit. Wir müssen jetzt natürlich nach Spanien und Portugal schauen, was eigentlich passiert ist, um daraus zu lernen.
taz: In Spanien gibt es doch auch redundante Netze.
Müller: Ja. Trotzdem ist das System etwas anders aufgebaut als bei uns. Das Netz ist zentraler. Die Iberische Halbinsel hat Besonderheiten. Teil des Problems oder auch Teil der Lösung ist, dass die Verbindungen zwischen der Iberischen Halbinsel und Frankreich nicht besonders intensiv sind. Das hat zwei Konsequenzen. Erstens: Es sind nur ganz kleine Teile Frankreichs betroffen gewesen. Umgekehrt ist es auch schwieriger für Frankreich, Spanien zu helfen, weil man einfach nicht genug Strom rüberschaffen konnte.
taz: Bei einem Blackout in Deutschland könnten also mehr Staaten helfen?
Müller: Das ist ein Punkt, der uns eindeutig von Spanien unterscheidet. Wir hätten Frankreich, Polen, Österreich, Skandinavien und weitere Länder. Die Leitungen in die Nachbarländer sind viel dichter. Und unterm Strich gilt: Je mehr Interkonnektoren, also Verbindungsleitungen, zwischen Ländern existieren, desto stabiler ist das System.
taz: Auch zwei Stromkreisläufe können gleichzeitig gestört werden, etwa durch einen Cyberangriff. Wie gut ist unser Netz davor geschützt?
Müller: Das ist seit Jahren ein intensives Thema zwischen den Netzbetreibern, der Bundesnetzagentur und den Kollegen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Das breiten wir natürlich nicht öffentlich aus. Nicht nur für den Strombereich, aber eben auch für den Strombereich ist die Frage der Sicherheit, der Cybersicherheit, der Resilienz dieser Systeme in den letzten Jahren größer geschrieben worden. Aber eine Umsetzung der europäischen Vorgaben würde das unterstützen.
taz: Gibt es Notfallpläne?
Müller: Natürlich. Wenn es so einen Vorfall in Deutschland geben würde, würden spezielle Kraftwerke, die selbst keine Energie brauchen, um anzufahren, ein Stromnetz aufbauen und die Versorgung gewährleisten.
taz: Wie sehen Notfallpläne aus, etwa für Kliniken?
Müller: Kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser verfügen über eigene Erzeugungskapazitäten oder Notfallaggregate. Sie hätten die Möglichkeit, solche Phasen zu überbrücken.
taz: Wenn der Strom ausfällt, fällt zwangsläufig die Kommunikation über Handys und das Internet aus?
Müller: Spätestens seit der Gaskrise gibt es dazu einen intensiven Diskurs, weil ja beide Sektoren zur Bundesnetzagentur gehören. Dazu haben wir ein Maßnahmenpaket mit den Telekommunikationsunternehmen vereinbart, das schrittweise umgesetzt wird. Mit mobilen, transportablen Stationen, mit Akkusystemen, mit Erneuerbare-Energien-Modulen kann so eine Situation überbrückt werden. Zumindest für bestimmte Krisenszenarien sind die Telekommunikationsunternehmen gewappnet, auch aufgrund der Erfahrungen nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, wo das noch nicht geklappt hat.
taz: Wenn jemand eine Solaranlage hat: Ist er oder sie bei Stromausfall unabhängig oder wird die Solaranlage automatisch ausgeschaltet?
Müller: Das kommt auf den Typ der Solaranlage an. Wenn das technisch möglich ist, dann wären diese Haushalte ein Stück weit autark. Aber es gibt auch Solaranlagen, die diese Autarkie nicht haben.
taz: Wie können sich Verbraucher:innen auf ein Blackout vorbereiten?
Müller: Auf der Internetseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz gibt es eine detaillierte Liste für alle möglichen Arten von Vorfällen, auf die man gut vorbereitet sein sollte. Dazu gehört immer eine Reserve an Wasser im Haushalt und bestimmte Formen von Licht. Und ansonsten ist es gut, Verständnis dafür zu haben, dass ein Stromsystem ausgebaut werden muss, um stabil zu bleiben.
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