Aus von Berlins Kultursenator Chialo: Die Schattensenatorin übernimmt selbst
Sarah Wedl-Wilson wird neue Berliner Kultursenatorin. Die Staatssekretärin von Ex-Amtsinhaber Chialo hatte den Laden zuletzt ohnehin allein geschmissen.

„Ich habe sehr schnell gemerkt, dass Sarah Wedl-Wilson ein hohes Vertrauen genießt bei den Kulturschaffenden, und das brauchen wir jetzt“, sagte Wegner am Montag im Roten Rathaus bei der Vorstellung der Personalie. Chialo erwähnte er mit keinem Wort.
Mit der Festlegung auf die parteilose Kulturstaatssekretärin beendete Wegner auch Spekulationen, er selbst werde das vakante Amt zusätzlich übernehmen und Kultur damit zur Chefsache machen. Wedl-Wilson, hieß es, könne dann ja weiter die tägliche Verwaltungsarbeit machen. Nichts da, stellte der als nicht sonderlich kulturaffin geltende Senatschef nun klar: „Sarah Wedl-Wilson ist genau die Richtige.“
Die 56-Jährige soll den Laden sowieso seit Längerem schon weitgehend ohne Chialo geschmissen haben: Nachdem der gewesene Senator die Brachialkürzungen im aktuellen Haushalt mit dem Feingespür einer Dampfwalze erst schöngeredet hatte, war er zuletzt fast gänzlich abgetaucht.
„Offene und transparente Kommunikation“
Aufgefallen ist die Abwesenheit Chialos etwa bei dem nach den Protesten gegen die Kürzungen angeleierten „Kulturdialog“ mit ausgewählten Vertreter:innen der Kunst- und Kulturszene. Den Dialog führten der Regierende Wegner und Chialos Staatssekretärin Wedl-Wilson.
Die ehemalige Rektorin der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ betonte am Montag dann auch, dass ihr „eine offene und transparente Kommunikation“ mit großen Häusern wie auch der freien Szene „sehr am Herzen“ liege.
„Berlin ist eine ganz großartige Kulturmetropole“, das gelte es zu sichern und zu stabilisieren, sagte Wedl-Wilson. Wegner assistierte: Es sei die „klare Zielrichtung des Senats“, trotz aller Haushaltsnöte „keine Einrichtung in dieser Stadt zu schließen“. Wer wollte, konnte das als Bekenntnis interpretieren: Nicht zuletzt die Komische Oper wird immer wieder als möglicher Schließungskandidat gehandelt.
Ebendiese Kiste hatte ausgerechnet Ex-Senator Joe Chialo am Freitag in seiner Rücktrittserklärung erneut aufgemacht. So sprach er hier von der „drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen“ im Zuge des anstehenden Doppelhaushalts 2026/27. Konkreter wurde er aber nicht.
Chialos bizarrer Abschiedsgruß
Insgesamt wurde Chialos Abschiedsgruß als reichlich bizarr bewertet. Vor allem die Aussage, er habe im vergangenen Jahr die massiven Kürzungen in seinem Etat nur „schweren Herzens mitgetragen“, sorgte für Irritationen.
Immerhin hatte Chialo nach übereinstimmenden Berichten aus den zurückliegenden Haushaltsverhandlungen das 130-Millionen-Euro-Harakiri in seinem Verantwortungsbereich nicht nur widerstandslos hingenommen. Er soll ursprünglich sogar eine Kürzungsliste mit einem mehr als doppelt so hohen Einsparbetrag eingereicht haben. Ein Versehen, hieß es im Nachgang. Gleichwohl sagt es viel aus über das Engagement des Senators für den ihm anvertrauten Bereich Kunst und Kultur.
Seine Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson will es nun besser machen. Bei der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses am 24. Mai soll sie vereidigt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!