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press-schlagPlötzlich blau

Der Investor von 1860 München will seine Anteile loswerden. Die Stadt kennt nur noch ein Thema

Es wird wieder über die Blauen geredet in München, über den TSV 1860, die Sechzger. Die Profis des Klubs haben gerade dreimal hintereinander gewonnen und damit einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt in der dritten Liga gemacht. Aber das interessiert die Stadtgesellschaft nicht wirklich. Wenn es aber um Hasan Ismaik geht, den Jordanier, der sich – warum auch immer – vor 14 Jahren die Mehrheit an dem Klub gekauft hat, dann horchen alle auf. Jetzt hat er angekündigt, seine Anteile am Klub verkaufen zu wollen. Sollte es wirklich „Freiheit für Sechzig“ geben, wie es die Anhänger des Klubs in dem von ihnen mit Inbrunst geschmetterten „Scheichlied“ fordern? Fast schade wäre das, finden gewiss jene, die nur allzu gern mit dem Finger auf den Verein zeigen: die Roten.

Zu schön waren für sie über die Jahre all die Geschichten über die Streitigkeiten Ismaiks mit dem Verein, dem eingetragenen, dem e Punkt vau Punkt. Der Geldgeber wollte das Sagen haben, das nach den Regeln des deutschen Fußballs dem Verein zusteht. Nirgendwo ist hitziger über diese 50+1-Regel gestritten worden als in München. Und wen hat der Mann aus Jordanien, der in Abu Dhabi lebt und von dort aus seine Geschäfte als – ja, als was eigentlich? – macht, nicht alles angeschleppt an die Geschäftsstelle! Einer hatte den schönen Namen Anthony Power und wurde von den Fans in der Westkurve innig gehasst. Er war für die Fanartikel zuständig und hat Fanklubs auch schon mal verklagt, wenn sie es gewagt haben, einen Löwen im offiziellen Design auf einen eigenen Schal zu nähen.

Zu Geld gekommen ist der Klub, der jedes Geschäftsjahr mit einem Millionenminus beendet, auf diese Weise nicht wirklich. Wenn es nicht gut lief bei den Sechzgern, und das war ja eigentlich immer der Fall, waren immer die anderen Schuld. Für Hasan Ismaik waren die gewählten Vereinsvertreter das Übel, für die war der Jordanier das Problem. Und beide Lager haben ja bis heute ihre Fans. Die einen glauben, dass es ohne Ismaik keinen Weg raus aus den Niederungen des Fußballs geben wird, die anderen wollen da gar nicht wirklich raus und fühlen sich pudelwohl im Stadtteil Giesing, wo ihr Klub derzeit im Stadion an der Grünwalder Straße spielt.

20 bis 30 Millionen Euro wolle er für seine Anteile haben, meldete der Bayerische Rundfunk nun. Und nur einen Tag später in einer Live-Schalte der Sendung „Blickpunkt Sport“ an den Golf wurden daraus 200 bis 300 Millionen. Ismaik hatte mal wieder für einen Schenkelklopfer in der Stadt gesorgt. Es wurde viel gelacht und so mancher witzelte, das ja allein das winzige Löwenstüberl am Trainingsgelände im Immobilienmoloch München mehrere Millionen Euro wert sein müsse.

Die wahren Blauen in der Stadt träumten bald von einer Genossenschaft nach dem Vorbild des FC St. Pauli und Robert Reisinger, der Noch-Präsident des Vereins, sprach von regionalen Investoren. Es gab ja schon einmal die Idee, im reichen München elf Millionäre aufzutreiben, die jeweils elf Millionen Euro in den Klub stecken sollten. Sieben solche reichen Blauen hatte Reisinger angeblich schon gefunden. Glauben konnte das niemand so recht in München. Da kann man sich schon eher vorstellen, dass etwas an der Meldung dran ist, nach der Jens Lehmann zusammen mit englischen Geschäftspartnern bei Sechzig einsteigen möchte. Genau, der Ex-Torwart, der so gut mit der Kettensäge umgehen kann und nach ein paar Mass auf der Wiesn mit dem Auto nach Hause fahren möchte.

Aber vielleicht kommt es eh anders und alles bleibt, wie es ist. Denn Ismaik hat sich auf Social Media beim Bayerischen Rundfunk beschwert, weil man ihn zu sehr vorgerückter Stunde befragt hatte. Das sei unprofessionell. War er nicht recht bei Sinnen, als er von 200 bis 300 Millionen Euro sprach? Seinen Post setzte er jedenfalls ein paar Tage später zur selben vorgerückten Stunde ab. Was das nun wieder heißt? In München wird gewiss heiß darüber diskutiert. Andreas Rüttenauer

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