: Zwei Volos, zwei Wege: über Haltung und Herkunft
Warum sich Marco Fründt erst spät für den Journalismus begeisterte und Raweel Nasir aus der Wissenschaft zur taz kam? Wie beide das Panter-Volontariat seit November erleben, was sie an der taz schätzen und was der Rechtsruck mit ihrer Arbeit macht
Raweel Nasir: Lieber Marco, wolltest du schon immer Journalist werden?
Marco Fründt: Journalismus fand ich früher immer langweilig. Als ich mich aber nach der Schule mit Wehrmachtsverbrechen in Griechenland und dem auf die Besatzung folgenden Bürgerkrieg auseinandergesetzt habe, las ich ein Buch, in dem der Protagonist später als Journalist arbeitete. Da dachte ich zum ersten Mal: „Wow, das ist ja wirklich interessant!“ Dann habe ich mich direkt auf mein erstes Praktikum in einer Lokalzeitung beworben, zur Zeit, als Can Dündar in der Türkei im Gefängnis saß. Noch ein paar Jahre habe ich hin und her überlegt und zunächst viel im sozialen Bereich gearbeitet. Ich wollte mich schon immer für etwas einsetzten, aber konnte mich nicht entscheiden, wofür. Bei einer NGO zu arbeiten kam für mich nur so halb in Frage. Beim Journalismus kann ich viele Themen abdecken.
Raweel: Dazu passt die Debatte, wie man Journalismus und Aktivismus trennt …
Marco: Der entscheidende Unterschied zwischen Journalismus und Aktivismus aber sind die journalistischen Qualitätskriterien, an die wir uns auch bei der taz halten. Den Vorwurf, dass linker Journalismus wie zum Beispiel bei der taz kein Journalismus ist, finde ich wiederum selbst aktivistisch. Journalismus hat immer eine Färbung. Die beschworene Neutralität existiert in dem Sinne einfach nicht. Bürgerlich-konservativ zu sein, ist auch eine Haltung. Trotzdem ist es natürlich wichtig, eine journalistische Distanz zu wahren. Mit Journalismus möchte ich Menschen eine Stimme geben, die sonst keine haben.
Marco: Und du, liebe Raweel, wieso hast du dich entschieden Journalistin zu werden?
Raweel: Ich wollte lange in die Wissenschaft gehen und habe dann aber festgestellt, dass die Texte, die man dort publiziert, eigentlich nur für eine kleine elitäre Gruppe geschrieben werden. Wichtige Forschung verbleibt so nur in akademischen Kreisen. Ich wollte lieber Texte schreiben, die für viele Menschen zugänglich sind. Dann habe ich mich kurz vor meiner Masterarbeit umentschieden und habe mein erstes journalistisches Praktikum bei Krautreporter gemacht. Vorerfahrung im Journalismus hatte ich noch keine, obwohl ich in der neunten Klasse schon einmal taz-Journalistin werden wollte. Raweel: Wie bist du denn auf die taz und das Panter Volo gekommen?
Marco: Ich lese die taz, seitdem ich 18 bin. Dadurch wurde ich politisiert. Ein Abo hatte ich aber nie. In der Schule wurde uns mitgegeben, dass man viele verschiedene Medien konsumieren sollte, um sich ein breites Bild zu machen. Mit der Zeit hat sich herauskristallisiert, dass es für mich trotzdem die taz ist.
Marco: Warum wolltest du zur taz?
Raweel: Ich wusste früh, dass die taz mehr zu meiner politischen Ausrichtung passt. Und die taz Panter Stiftung hat sehr viele tolle Programme: Sie kümmern sich zum Beispiel um verfolgte Journalist:innen.
Marco: …und hat auch das Panter Volontariat. Warum braucht es das?
Raweel: Ich finde es wichtig, dass die Panter Stiftung einen Blick darauf hat, dass bestimmte Leute im Journalismus fehlen und ihnen mit dem Volo den Einstieg ermöglicht. Das Panter Volontariat unterscheidet sich so von anderen Volos.
Marco: Ich bin mit einem doppelten Imposter-Syndrom gestartet. Einmal als Arbeiterkind, da hat man generell das Gefühl, man sei überhaupt nicht gut genug für das, was man tut. Dafür ist ja das Panter Volo da, um mehr Diversität in den Journalismus zu bringen. Und dann sitze ich da halt. Natürlich gibt es im Journalismus noch immer wenig Menschen, die nicht aus akademischen Haushalten kommen, wie ich selbst. Allerdings gibt es ganz viele Menschen, die es im Journalismus noch viel schwerer haben als ich. Deshalb habe ich eine Weile gebraucht, um mich damit wohlzufühlen, dass ich es jetzt bekommen habe.
Talent statt Zeugnis: Mit dem Volontariatsprogramm der taz Panter Stiftung sollen Menschen in Redaktionen geholt werden, die sonst unterrepräsentiert sind. Seit 2011 werden pro Ausschreibung zwei taz Panter Volontär:innen in die taz-Redaktion aufgenommen.
Zeitraum: 18 Monate läuft es in verschiedenen taz-Ressorts. Die nächsten Volontariate werden im Frühjahr 2026 ausgeschrieben. Wir freuen uns aber jederzeit über Bewerbungen an: stiftung@taz.de
Weiterbildung und Betreuung: Die Volontär:innen nehmen an Weiterbildungen teil und werden von einer Person aus der taz-Redaktion einzeln betreut.
Kosten: Ein Volontariat kostet die Stiftung 30.000 Euro.
Raweel: Man wird auch noch anders betreut und ist irgendwie Teil einer Tradition von coolen Leuten. Früher war das Volontariat nur für Frauen mit Migrationshintergrund. Für mich ist es, selber als Frau mit Migrationshintergrund, ein bisschen schade, dass das nicht mehr nur für diese Zielgruppe ist. Denn auch bei der taz ist da auf jeden Fall noch Luft nach oben, wenn ich mich so umschaue.
Raweel: Wie ist es denn für dich – wie erlebst du den taz-Kosmos?
Marco: In meiner ersten Redaktionskonferenz hat sich eine Redakteurin darüber beschwert, dass die taz sich immer so einen emanzipatorischen oder progressiven Anstrich gibt, aber es trotzdem nicht hinkriegt, dass auf den Seiten nicht primär entweder Männer schreiben oder Männer interviewt werden. Das war der erste Tag und die erste Blattkritik, die ich gehört habe. Das hat mich beeindruckt. Diesen Kritikpunkt hatte ich bisher in keinem der Medien, bei denen ich gearbeitet habe, jemals von irgendjemandem gehört. Und: Im Vergleich zu den anderen Medienhäusern, bei denen ich war, ist es mir direkt aufgefallen, dass der Frauenanteil hier viel höher ist! Und dann: Hier im Haus habe ich das Gefühl, ich selber sein zu können und meine Haltung zeigen zu dürfen. Ich muss mich nicht verstellen. Das Zusammenhaltsgefühl gefällt mir auch sehr gut. In dieser politischen Lage muss man sich auf jeden Fall organisieren und bei der taz ist man das quasi automatisch. Das stärkt einem den Rücken!
Marco: Wie wirkt sich der Rechtsruck auf deine Arbeit aus?
Raweel: Es ist wirklich erschlagend, und teilweise kann ich es einfach immer noch nicht glauben, obwohl es natürlich sich lange abgezeichnet hat. Auf der anderen Seite habe ich gute Mechanismen und ein gutes persönliches Netzwerk, das mich auffängt. Es hilft mir, tolle Kolleg:innen zu haben, die den Rechtsruck auf dem Schirm haben und journalistisch bearbeiten, wenn ich es gerade nicht kann.
Raweel: Das Volo besteht aus verschiedenen Stationen in den jeweiligen Ressorts. Wie ist der Stationswechsel für dich?
Marco: Ich finde es interessant zu beobachten, dass jedes Ressort seinen eigenen Charakter hat. Es ist auch spannend, einfach zu sehen, wie die Prozesse in den verschiedenen Ressorts sind. Aber es ist natürlich eine Umgewöhnung, tagesaktuell oder in der Wochentaz zu arbeiten.
Marco: Du hast im Berliner Lokalteil angefangen. Warum ist linker Lokaljournalismus wichtig?
Raweel: Wenn Menschen an Politik denken, denken sie meist an den Bundestag oder schauen auf die Bundesebene. Das ist mir zu eng, denn eigentlich ist alles politisch. Viel Politik passiert auf lokaler Ebene, jeden Tag, da, wo wir wohnen, und betrifft uns. Wenn ich zum Beispiel zu einer Pressekonferenz zum Thema queere Obdachlosigkeit gehe, betrifft das nicht nur queere Obdachlose, sondern alle. Wie oft sieht man Obdachlose in Berlin? Jeden Tag – als Folge einer katastrophalen Sozialpolitik. Und diese Gruppe ist besonders schutzbedürftig. Aber Sozialpolitik betrifft uns alle. Durch den lokalen Fokus können wir auf bestimmte Prozesse aufmerksam machen – da, wo sonst niemand hinschaut oder nicht aus einem bestimmten Winkel. Als Lokaljournalist darf man auf Pressekonferenzen entscheidende Fragen stellen. Ich war schon bei Pressekonferenzen oder Gerichtsprozessen, bei denen es keine anderen Journalist:innen oder keine explizit linken gab.

Marco: Gibt es eine Berichterstattung, die dir in den letzten Monaten im Gedächtnis geblieben ist?
Raweel: Es gibt einen Fall von rassistischer Polizeigewalt, den ich seit Beginn meines Volos betreue. Und ich bin da gut vernetzt. Eine Art Erfolgsmoment hatte ich, als ich gemerkt habe, dass manche Themen verbunden sind. Etwa, was die Überwachung der BVG mit queerfeindlicher Gewalt zu tun hat.
Marco: Welche Themen interessieren dich journalistisch besonders?
Raweel: Ich habe Gender Studies studiert, deshalb interessieren mich feministische Themen. Ich dachte, das würde auch einfach so bleiben. Ich merke aber, dass ich sehr begeisterungsfähig bin. Prozesse zu verstehen und mich irgendwo reinzufuchsen oder bei einem Gerichtstermin zu sein, finde ich sehr spannend. Durch das Studium bleibt aber in meinem journalistischen Alltag ein Filter für feministische und antirassistische Themen.
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