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Handtaschenverkauf für die gute SacheGut gelaunter Feminismus der Einkaufspassage

In Hamburg mobilisierten Business-Frauen für die Frauenhäuser der Stadt. Mittendrin: Regisseur Sönke Wortmann.

Können teuer sein: Handtaschen Foto: Daniel Reinhardt/dpa

L os geht es mit einem Abstieg. „Einfach die Treppe runter“, sagt die Frau am Eingang. Die Treppe führt ins Untergeschoss des „Fabric Future Fashion Lab“, das ist eine der betont kreativen Zwischennutzungen, mit denen man in Hamburg seit einiger Zeit den Leerstands-Kummer von Gewerbeflächen-Inhaber:innen lindern möchte. Wo eigentlich Globalisierungs-Containerware verkauft würde, lässt sich dann ein:e Künst­le­r:in bei der Atelier­arbeit zusehen. Oder bietet gleich einen Malkurs an.

Hier, im temporären Mode-Labor, geht es um die Mode von morgen: In bester, weil Exklusivität verströmender Einkaufspassagenlage sollen sich Start-ups und De­si­gne­r:in­nen ausprobieren können. Es gibt hier auch anständigen Kaffee, und: „Bei gutem Wetter warten die Außenplätze am Fleet!“

Was mich hierherführt, ist aber ausgerechnet die Mode von gestern. Genauer, es sind Handtaschen, gespendet von ihren Be­sit­ze­r:in­nen. Drei Tage lang werden sie verkauft, im Keller, und das für einen guten Zweck: Der Erlös, dazu noch Geldspenden, fließt an die Hamburger Frauenhäuser.

Hinter der Aktion stehen die Hamburger Zonta-Clubs, fünf gibt es, in denen sich „Frauen in verantwortlichen Positionen“ einsetzen – gerade auch für weniger privilegierte Geschlechtsgenossinnen: „Gewalt gegen Frauen gibt es in allen gesellschaftlichen Schichten“, schreiben sie aus Anlass der zweiten „Taschenbörse“; die erste hatte frau 2023 ausgerichtet. Da lasse sich „ein neues Lieblingsstück ergattern“ – und zugleich dazu „beitragen, dass Andere, an einem sicheren Ort, Kraft und Zuversicht sammeln können“.

Die so mit Bedeutung, nun, gefüllten Behältnisse hängen aufgereiht an Kleiderstangen, sortiert nach dem Preis. Die meisten Taschen, Täschchen und Rucksäcke, von anonym-logolos bis zum maximal klangvollen Markenartikel kosten zwischen 10 und 100 Euro, ich sehe aber auch welche für 150, 500, für 800 Euro. Die hängen nicht dicht gedrängt da, sondern werden präsentiert fast wie in den Geschäften eine Etage höher.

Der Schirmherr schaut vorbei

Wie viele zusammengekommen sind, lässt sich auf den ersten Blick nicht sagen, allerlei ging schon am Freitag weg. So auch die teuerste Tasche, 1.200 Euro. Am Vortag war auch Julia Westlake da, NDR-Promi und Schirmherrin der Aktion, am Samstagvormittag hat Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat vorbeigeschaut. Am Nachmittag hat sich der zweite Schirmherr angekündigt: der Film- und neuerdings auch wieder Fernsehregisseur Sönke Wortmann.

Der ist bekannt geworden mit „Kleine Haie“, der schwulen Comic-Adaption „Der bewegte Mann“ oder „Das Superweib“. In seinem Frühwerk zumal findet sich aber auch manche nicht dumme Befassung mit Geschlechterrollen, da muss dann schon mal ein lernunwilliger Macho in eine Frauen-WG ziehen; immer recht freundlich gehalten, komödiantisch, positiv. Auch die Charity-Aktion erklärt ja nicht „die Männer“ zum Feindbild, das wäre mit den betont unpolitischen Business-Frauen nicht zu machen.

Um 14.03 Uhr trifft Wortmann im Keller ein, es gibt ein Täsch-, nee, Tässchen Kaffee, auch will das Social-Media-Team ein kurzes Interview. „Männer sind ein Teil des Problems“, sagt der 65-Jährige der taz auf die Frage, warum gerade ein Mann die Aktion unterstützen sollte. „Ohne Männer müssten Frauen nicht ins Frauenhaus gehen, wenn sie in Not sind.“

Das toxisch Männliche

Ausgerechnet auf die Handtasche zu setzen, „etwas sehr Weibliches“, das versteht der Filmemacher „als ironisches Statement“. Er erzählt auch, dass er gedacht habe, „wir sind weiter, als Gesellschaft“: Stattdessen werde „das Woke“ bekämpft, und „es setzt sich wieder etwas toxisch Männliches durch, das ich nicht verstehe“.

Ganz und gar untoxisch sind die andern Männer, die – deutlich in der Minderheit – gekommen sind. Meist sitzen sie auf einem der Sofas, während ihre Begleitungen shoppen, es bezahlen dann oft die Männer. Einfacher, die Konfrontation mit toxischen Kumpels und Kollegen vermeidend, ist es heute nicht zu haben, ein Ally der feministischen Sache zu sein. Da gibt es keine Ausrede.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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