Griechisches Filmfestival in Berlin: Zuhause in der Fremde
Das Griechische Filmfestival in Berlin ist eine bedeutende Plattform für Kinoproduktionen aus Griechenland. Diesen Mittwoch startet die Jubiläumsausgabe.

Insgesamt 33 griechische Filme werden vom 26. bis zum 30. März im Babylon-Kino in Mitte gezeigt. „Bei uns kann man Filme sehen, bei denen man anderswo kaum die Chance bekommt, sie zu schauen“, sagt Sofia Stavrianidou. Die 54-Jährige ist seit Beginn Teil des Projekts und seit 2020 die Leiterin des Festivals. Das sei mittlerweile eine bedeutende Plattform für den neuen griechischen Film. „Nicht nur in Berlin, sondern auch in Griechenland genießt es als eines der wichtigsten griechischen Auslandsfestivals ein hohes Ansehen“, so Stavrianidou, die seit 25 Jahren im Filmgeschäft arbeitet.
Berlin als Standort spiele dabei eine wichtige Rolle, sagt Stavrianidou, die in Athen aufgewachsen ist und seit 2011 in Berlin lebt. Das liege auch an der tiefen Verwurzelung und kontinuierlichen Präsenz der griechischen Community in der Stadt. Die hat eine lange Geschichte. In den 1950er und frühen 60er Jahren kamen viele als Gastarbeiter:innen. Ab 1967 flohen dann viele vor der Militärdiktatur nach Westberlin. Die Exilgriech:innen waren politisch sehr aktiv und organisierten Widerstand gegen die Junta.
Eines der Zentren dafür war die Taverne Terzo Mondo am Savignyplatz in Charlottenburg. „Entstanden aus der Revolution“ ist das Gründungscredo des Lokals. Schnell wurde das Terzo Mondo ein linker Treffpunkt. Auch bekannte griechische Musiker:innen und Politiker:innen im Exil wie Mikis Theodorakis oder Maria Farantouri verkehrten dort. Weil der Besitzer Kostas Papanastasiou auch Schauspieler war – bekannt etwa aus der Serie Lindenstraße – entwickelte sich das Terzo Mondo schnell auch zum Anziehungspunkt bekannter Schauspieler:innen.
Eine gut vernetzte Diaspora
Auch Panos Poulos ging oft ins Terzo Mondo. Der heute 64-Jährige hat in den 90er Jahren die ersten griechischen Filmtage in Berlin organisiert. Poulos kam 1980 zum Studieren nach Berlin. Für die Zeit seines Studiums wurde er vom Militärdienst in Griechenland befreit. Nach seinem Abschluss in Politikwissenschaft entschied er sich jedoch, in Berlin zu bleiben: „Ich bin Kriegsdienstverweigerer. Die Möglichkeit gab es in Griechenland damals aber nicht. Also war ich faktisch fahnenflüchtig“, erzählt er. Mehrere Jahre arbeitete er in einer Beratungsstelle für griechische Frauen und ihre Familien und später in einem deutsch-griechischen Jugendzentrum in Neukölln.
Die griechische Community der 80er Jahre hat Poulos als sehr lebendig erlebt. „Wir waren vielleicht 8.000 in Westberlin. Natürlich Gastarbeiter, aber auch viele Intellektuelle und Künstler.“ Neben den beiden Sozialzentren in Neukölln gab es – und gibt es noch – viele griechische Vereine: Die Griechische Gemeinde und die orthodoxe Kirche in Steglitz, der Verein griechischer Akademiker:innen, das Kulturmagazin Exantas, der Fußballverein FC Hellas Berlin. „Wir waren damals untereinander sehr gut vernetzt“, sagt Poulos. Die meisten Organisationen sind heute immer noch aktiv. Das Neuköllner Jugendzentrum gibt es zwar nicht mehr, dafür kamen andere Institutionen wie das Filmfestival hinzu.
Neue Migration seit der Finanzkrise
Panos Poulos blieb 14 Jahre in Berlin. Nachdem das griechische Konsulat seinen Ausweis nicht mehr verlängert hatte, entschied er sich 1994, zurück nach Griechenland zu gehen. „Mit 34 musste ich dann zum Militär, da war ich so alt wie der Kommandant“, erinnert er sich. Heute arbeitet Poulos in der deutsch-griechischen Jugendarbeit und führt die NGO „Filoxenia“ auf dem Peloponnes, die sich mit der deutschen Besatzung Griechenlands und Umweltschutz auseinandersetzt.
Die zweite griechische Migrationsbewegung findet seit Beginn der Finanzkrise Ende der 2000er Jahre statt. „Die sind ganz anders als die Älteren“, sagt Festivalleiterin Sofia Stavrianidou. „Sie sind gebildet, sprechen Englisch und lernen Deutsch.“ Die deutsche Hauptstadt ist für sie auch kein zufälliges Ziel von Arbeitsmigration mehr. „Sie wollen alle nach Berlin. Es ist weniger konservativ und sehr alternativ“, sagt Stavrianidou.
Eine von ihnen ist Katerina Zafeiropoulou. Die Athenerin ist Schauspielerin und Tänzerin. Gekommen war sie für ein Seminar für zeitgenössischen Tanz, mittlerweile wohnt die 33-Jährige seit drei Jahren in Berlin. Auch sie hat das Gefühl, hier ein weniger konservatives Leben führen zu können. „Berlin ist ein Ort mit Menschen vieler Nationalitäten und vielen Geschwindigkeiten, die man auf den ersten Blick sofort als gastfreundlich empfindet“, sagt Zafeiropoulou. Dass sie bereits viele Bekannte in der Stadt hatte, machte es noch einfacher.
Musik, Küche, soziale Bindungen
In Berlin fühle man sich als Griechin ein bisschen wie zu Hause, findet Zafeiropoulou. „Ein Grund, der Berlin für Griechen attraktiv macht, ist die große östliche Gemeinschaft. Die Musik, die Küche, die sozialen Bindungen.“ Nach wie vor sei die griechische Community untereinander eng vernetzt: „Die ‚Fremde‘, wie wir die Einwanderung auf Griechisch nennen, teilen wir, das verbindet uns.“ Ein weiterer Faktor ist für Zafeiropoulou, dass die griechische Gemeinschaft sehr politisch ist: „Es gibt Organisationen, die die Ereignisse in Griechenland genau verfolgen, Proteste organisieren, informieren und motivieren.“

Darüber hinaus wohnen auch viele angesehene griechische Künstler:innen in Berlin. Einige davon sind auch beim Griechischen Filmfestival zu sehen. Das würdigt in diesem Jahr Vertreter:innen der griechischen Musik mit einer eigenen Kategorie und mehreren Vorführungen. „Eftihia“ etwa erzählt die von Flucht, Armut und patriarchalen Strukturen geprägte Geschichte von Eftychia Papagiannopoulou, einer der bedeutendsten Lyrikerinnen der griechischen Populärmusik.
„Wir versuchen, immer Frauen im Programm zu haben“, sagt Festivalleiterin Sofia Stavrianidou. Das sei jedoch gar nicht so einfach. „Die Filmszene in Griechenland ist immer noch männerdominiert.“ Der Selbstermächtigung von Frauen hat sich das Griechische Filmfestival in diesem Jahr auch symbolisch verschrieben. Sinnbildlich dafür breitet auf den Plakaten und Flyern eine Frau im Anzug ihre Arme aus: Sie tanzt einen Zeibekiko, ein aus Kleinasien stammender Einzeltanz, der Kummer ausdrückt und traditionell als reiner Männertanz gilt. „Das ist einerseits eine Verkündung, dass Frauen tun und lassen können, was sie wollen. Und andererseits auch eine Zelebrierung, der Frauen, aber auch des Jubiläums“, so Stavrianidou.
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