Rechtsextremer Treffpunkt auf dem Dorf: Umsturzpläne im Erbkrug
Der Gasthof „Zum Alten Erbkrug“ in einem niedersächsischen Dorf ist ein Treffpunkt einer rechten Szene. Nach Ken Jebsen tritt dort Thilo Sarrazin auf.

Aus dem Publikum tönen in regelmäßigen Abständen Zwischenrufe: „Volksverräter!“, „Annalena!“ Die Stimmung ist hörbar aufgebracht. Nach nicht mal 15 Minuten erklärt der frühere Radio-Moderator Ken Jebsen, warum er stolz ist, Deutscher zu sein.
Es ist der Auftakt der neuen Tour des Verschwörungs-Stars, der seit Kurzem unter seinem bürgerlichen Namen „Kayvan Soufi-Siavash“ auftritt und sich nach Problemen mit dem Verfassungsschutz und der Medienaufsicht ins Ausland abgesetzt hat. Jetzt möchte der Unterstützer der AfD dem „Brandmauer-Wahnsinn“ ein Ende bereiten und ist dazu in den Gasthof „Zum Alten Erbkrug“ nach Godensholt gekommen, einem 900-Seelen-Dorf in Niedersachsen.
Er habe sich erst vor einigen Tagen mit Jürgen Elsässer getroffen, dem Chefredakteur des gesichert rechtsextremen Compact-Magazins, sagt Jebsen. Zwischen philosophischen „Weisheiten“, Verschwörungserzählungen, frauenfeindlichen Witzen und stramm rechten Parolen holt er Personen aus dem Publikum auf die Bühne und fordert sie zum Handeln auf.
Jebsens vorab erklärtes Ziel: „Anstifter“ sein. Die geopolitische Lage sei günstig, sodass „wir als patriotische Deutsche“ endlich das machen könnten, „was wir immer schon wollten“. Dazu diene dieses „Vernetzungstreffen“. „Wenn in zwei Jahren möglicherweise wirklich ein Ruck durch Deutschland geht“, seien die Leute, „die jetzt dabei sind“, die „Bodengruppe“, die „es machen“. Wie genau der „Ruck“ aussehen soll, lässt Jebsen offen.
Schon seine letzte Tour hatte Jebsen im Alten Erbkrug in Godensholt begonnen. Das Örtchen liegt im Landkreis Ammerland, in der Nähe von Bad Zwischenahn im Nordwesten Niedersachsens. Bekannt für seine „Metal Kohl Party“ mit Sonderzug, öffnet der Gasthof, der als Familienbetrieb geführt wird, regelmäßig seine Türen für Vertreter:innen der Verschwörungs-Mischszene.
Am Tag nach Jebsens Auftritt trifft sich im Erbkrug eine Gruppe Querdenken-Anwält:innen. Anfang der Woche war der „Die Basis“-Politiker Wolfgang Wodarg zu Gast, um über „Korruption und Manipulation“ bei der WHO zu informieren. Auf dem Parkplatz des Gasthofs standen 200 Autos aus ganz Deutschland und der Schweiz.
In den letzten Monaten gab es in Godensholt Vorträge zur Coronapandemie und zur angeblich nicht vorhandenen Demokratie in Deutschland. Der Verschwörungsideologe Dirk Pohlmann referierte zu Morden „im Auftrag der Eliten“. Auch Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler und Gegner von Corona-Impfungen und Lockdown, hat sich schon in die Ammerländer Provinz verlaufen.
Schlüsselfigur hinter den Veranstaltungen im Erbkrug ist der Bad Zwischenahner Unternehmer Claas-Hinrich Krüger. Zusammen mit seiner Partnerin Imke Krüger betreibt er das Gesundheits- und Fitness-Portal „seistolzaufdich“ und veranstaltet Kongresse für „Alternativmedizin“. Dort war neben diversen Verschwörungsideolog:innen und Fans der vom Verfassungsschutz beobachteten „Anastasia“-Bewegung auch der neurechte Stratege Rainer Zitelmann mehrmals vertreten.
Über die „Nova Sana Gesellschaft für Gesundheit e. V.“ organisiert Krüger auch die Veranstaltungen in Godensholt. Bei mindestens drei Vorträgen kooperiert er mit der „Atlas Initiative, Sektion Oldenburg“. Der Initiator dieses rechts-libertären Vereins, Markus Krall, hat Verbindungen zur Terrorgruppe um Prinz Reuß. Die Sektion Oldenburg baute der ehemalige Pressesprecher der AfD im EU-Parlament, Enno Samp, auf. Heute leitet sie sein Parteifreund Mathias Bothe.
Ticketverkauf über Querdenker-Portal
Für die Tickets setzt Krüger auf das Unternehmen „Krasser Guru“, das sich auf Veranstaltungen aus der Szene spezialisiert hat. An keiner anderen Location bietet es in diesem Jahr so viele Veranstaltungen an wie im Godensholter Gasthof. Hinter „Krasser Guru“ stecken die Querdenker Hartmut „Hardy“ Groeneveld und Björn Gschwendtner.
Groeneveld wird laut eigenen Angaben vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Er kandidierte 2014 für die AfD in Soest. Gschwendtner kam laut eigenen Angaben im Zusammenhang mit einer Aktion zur Unterstützung des Querdenken-Stars Michael Ballweg in Kontakt mit dem Staatsschutz.
Im Mai soll Thilo Sarrazin im Alten Erbkrug auftreten. Der Autor, dem von der UN Anstiftung zum Rassismus vorgeworfen wurde, warnt in seinem neusten Buch davor, dass „der Anteil der ethnischen Deutschen“ sinke und „europäisch-stämmig[e] ‚Weiß[e]‘ in ihren Heimatländern demografisch unter Druck geraten“. Außerdem beschwert er sich, dass „die zeichnerische Darstellung typischer Stereotype wie einer ausgeprägten Nase bei Juden oder wulstiger Lippen bei Schwarzen“ tabu sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Friedensgespräche“ in Riad
Die Verhandlungen mit Russland sind sinnlos
Ökonom über Steuersystem
„Auch in der Mitte gibt es das Gefühl, es geht ungerecht zu“
Trumps Kampf gegen die Universitäten
Columbia knickt ein
Ergebnis der Abstimmung
Pariser wollen Hunderte Straßen für Autos dichtmachen
Rüstungsausgaben
2,5 Milliarden für eine Whatever-it-takes-Fregatte
Kostenloser Nahverkehr
Schafft endlich die Tickets ab