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Wenig innovativ

Kurztermin im Kanzleramt: Die „Innovationsweisen“ haben dem Regierungschef am Mittwoch ihr neues Gutachten über die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands übergeben. Der jährliche Bericht der „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) fordert angesichts der Wirtschaftskrise dringender denn je, die Forschungs- und Innovationspolitik ins Zentrum der deutschen Regierungspolitik zu stellen.

Wie reagiert Olaf Scholz? Auf die Kritik der sechs Wirtschaftsprofessoren geht er nicht ein, erwähnt nur knapp, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa mehr als 3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung investiere, und 3,5 Prozent würden angestrebt. Ganze 13 Minuten dauert die Zusammenkunft von Wissenschaft und Politik. Für den Nochkanzler nur ein Mini­event. Von Innovation im Mit­tel­punkt kann keine Rede sein.

Jedes Jahr inspiziert die EFI-Kommission im Auftrag der Bundesregierung, wie Politik, Wirtschaft und Wissenschaft bei der Vorbereitung und Nutzung moderner Technologien vorankommen. Es geht um die Transformation der Industrie durch Digitalisierung und Dekarbonisierung, wo viel aufzuholen ist, aber auch um das Zukunftsfeld der Quantentechnologie, wo die deutschen Forscher international führend sind.

Der EFI-Bericht 2025 sticht aber vor allem durch seine scharfe Kritik an der verflossenen Ampelkoalition hervor. „In den letzten Jahren ist die Forschungs- und Innovationspolitik (FuI) auf der Stelle getreten“, lautet einer der Kernsätze des Gutachtens. Der Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei es „trotz ihrer hohen FuI-politischen Ambitionen nicht gelungen, eine für die Transformationen notwendige Innovationsdynamik zu entfachen“. Vom proklamierten „Deutschland-Tempo“ sei man weit entfernt geblieben.

„Priorisierungs- und Koordinierungsdefizite“ sowie Umsetzungsdefizite hätten zu einer administrativen „Langsamkeit“ geführt, die stellenweise auch in Stillstand umkippte. „Viele der im Koalitionsvertrag angekündigten FuI-politischen Vorhaben wurden nicht umgesetzt“. Dazu zählten die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (Dati), das Forschungsdatengesetz, das Dateninstitut, das Wissen­schaftszeitvertragsgesetz sowie eine unabhängige Stiftung für Wissenschaftsjournalismus. Außerdem sei es nicht gelungen, die „Zukunftsstrategie für Forschung und Innovation“, dem innovationspolitischen Leitvorhaben der Regierung, „ausreichend mit Leben zu füllen“.

Besserung ist nach Ansicht der EFI-Experten nur zu erwarten, wenn die Bundesregierung ihre Ressortzuständigkeiten neu ordne und zwei schlagkräftige Ministerien für Digitalisierung und für Innovation einrichte. Darüber wird allerdings ein anderer Kanzler entscheiden, der noch nicht im Amt ist.

Manfred Ronzheimer

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