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Sudan droht der Zerfall

Nach ihren jüngsten militärischen Rückschlägen im Kampf gegen Sudans Armee hat die aufständische RSF-Miliz mit Teilen der zivilen sudanesischen Opposition im kenianischen Exil die Gründung einer eigenen Regierung angekündigt. Ist das die Vorstufe zu einer faktischen Abspaltung der noch von ihr kontrollierten Gebiete?

Zeremonie zur Unter­zeichnung der „Sudan Founding Charter“ in ­Nairobi, 22. Februar. In der Mitte: RSF-Milizenführer Hametti Foto: Andrew Kasuku/ap

Von Saskia Jaschek

Seit fast zwei Jahren kämpfen in Sudan General Mohamed Hamdan Dagalo, kurz „Hametti“, Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und General Abdelfattah al-Burhan, Staatschef und Leiter des sudanesischen Militärs (SAF) in einem blutigen Krieg gegeneinander. Jetzt gibt es nicht nur zwei kämpfende Armeen, sondern auch zwei rivalisierende Regierungen. Die international anerkannte Regierung Burhan residiert in Port Sudan am Roten Meer. Am 22. Februar unterzeichneten in Kenias Hauptstadt Nairobi zahlreiche militärische Gruppen sowie politische und zivile Organisationen eine Gründungscharta für eine von Hametti geleitete Gegenregierung, die in den kommenden Wochen zustande kommen soll. Die „Gründungsallianz für Sudan“ fordert die Errichtung eines autonomen Staates in den von den RSF kontrollierten Gebieten.

Zuvor hatte sich die zivile Koalition Taqaddum, die die wichtigsten zivilen politischen Kräfte Sudans wie etwa der ehemalige Übergangspremierminister Abdalla Hamdok vereint, gespalten. Taqaddum erklärte sich neutral und setzte sich seit Kriegsbeginn stets für Frieden durch Verhandlungen mit der RSF ein. Anhänger des Militärs warfen ihr daher vor, die RSF zu unterstützen. Die kürzliche Spaltung der Koalition beruhte tatsächlich auf einer solchen Unterstützung eines Teils ihrer Mitglieder. Während die eine Hälfte um Hamdok weiterhin um Neutralität bemüht ist, stellte sich die andere Hälfte in Nairobi offiziell an die Seite Hamettis.

Dieser präsentiert sich als Befreier der unterdrückten ländlichen Gebiete Sudans. Seit Kriegsbeginn inszeniert er sich als Bekämpfer einer islamistisch geprägten Militärregierung. In der Charta ist jetzt die Rede vom Aufbau eines „säkularen, demokratischen und nicht-zentralisierten Staates“. Sudans ehemaliger Informationsminister Ibrahim Elmirghani, von der Demokratischen Unionspartei (DUP), Mitunterzeichner der Charta, nennt die geplante Regierung eine „Regierung für Frieden und Einigkeit“.

Diese Rhetorik ist historisch bedingt. Seit seiner Unabhängigkeit 1956 ist das multiethnische Sudan sozial, politisch und wirtschaftlich gespalten in ein herrschendes Zentrum in der Hauptstadt Khartum – Heimat der Eliten – und die politisch unterdrückten und wirtschaftlich ausgebeuteten ländlichen Regionen. Das führt immer wieder zu bewaffneten Konflikten in den ländlichen Regionen Sudans, bei denen religiöse und ethnische Herkünfte instrumentalisiert werden.

Darfur, im Westen Sudans, ist eine solche Region. Aus ihr stammt RSF-Anführer Hametti. „Hametti inszeniert sich als Erlöser der Marginalisierten“, erklärt die politische Aktivistin Najda Mansour, die selbst aus Darfur stammt. Dass seine Regierungspläne Frieden brächten, davon könne man jedoch nicht ausgehen. Wie ihre Vorgängermiliz Janjaweed begeht die RSF auch im jetzigen Krieg ethnisch motivierte Massenmorde.

Deshalb überrascht besonders ein Unterzeichner der RSF-Charta: Rebellenführer Abdelaziz al-Hilu aus der ebenfalls unterdrückten Region der Nuba-Berge im südlichen Sudan. Er führt die Sudanesische Volksbefreiungsarmee SPLA-Nord an, der einstige nordsudanesische Flügel der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLA, die 2011 Südsudan in die Unabhängigkeit führte. Al-Hilu gilt als radikaler Demokrat und hatte die Revolution gegen Sudans Militärdiktatur 2019 unterstützt. Seit Kriegsbeginn haben die SPLA-N ihre Gebiete vor bewaffneten Übergriffen verteidigt, sich aber keiner Seite angeschlossen. Nun unterstützt sie die RSF. „Man muss davon ausgehen, dass al-Hilu eine Taktik verfolgt“, sagt Mansour. Zuletzt waren die Nuba-Berge aufgrund von Hungersnot in den Schlagzeilen: Die Armee hatte Hilfslieferungen in die Region blockiert.

„Wir sind keine Parallel­regierung, wir sind die rechtmäßige Regierung“

Al-Hadi Idris, Rebellenführer

Die RSF-Regierungsgründungsinitiative kommt zu einem Zeitpunkt, in dem Sudans Armee Erfolge erzielt und einige RSF-kontrollierte Gebiete zurückerobert hat, so etwa die Hauptstadt Khartum. Dieser Umstand lässt einige Menschen glauben, die Armee unter Burhan stehe kurz vor dem militärischen Sieg. In diesem Fall könnte Hamettis Schritt einen Rückzug in die noch von ihm kontrollierten Gebiete bedeuten. Die Kriegsentwicklungen der letzten zwei Jahre zeigen jedoch, dass sich die militärischen Kräfteverhältnisse häufig und schnell verändern.

Die Regierung Burhan in Port Sudan beschuldigt die Vereinigten Arabischen Emirate, wichtigster ausländischer Unterstützer der RSF, die Exilregierung aufbauen zu wollen, um den Krieg zu verlängern. Sie beschuldigte auch Kenias Präsident William Ruto, sich durch die Duldung der Regierungsproklamation in Nairobi an „einer Verschwörung“ zu beteiligen und zog kurzerhand ihren Botschafter aus Kenia ab.

Die Gründungsallianz streitet dies ab. „Wir sind keine Parallelregierung und keine Exilregierung, wir sind die rechtmäßige Regierung“, sagte al-Hadi Idris gegenüber der Reuters. Idris ist Anführer der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA), ein Zusammenschluss verschiedener Rebellengruppen aus Darfur und Unterstützer der geplanten Regierung. Andere Rebellengruppen in Darfur unterstützen hingegen die Armee.

Es ist davon auszugehen, dass es sich bei Hamettis Regierungsbildung um den Versuch einer internationalen Legitimation handelt. Sie verstetigt, wovor viele schon lange warnen: die Möglichkeit einer weiteren Teilung Sudans. Ähnlich wie im geteilten Libyen würden dann Burhan und die Armee die Herrschaft im Zentrum und Norden Sudans übernehmen, die RSF-Regierung die westlichen und südlichen Landesteile. Wie auch in Libyen ist es unwahrscheinlich, dass eine solche Spaltung Frieden bringen würde.

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