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Neue Bürgerschaft nach der Hamburg-WahlHallo! Und tschüss!

Ins Hamburger Parlament haben es einige Kan­di­da­t:in­nen überraschend geschafft. Andere Politkarrieren enden anders als erwartet nun abrupt.

Viel Platz haben die Abgeordneten hier nicht: Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Das Kräfteverhältnis in der neuen Hamburgischen Bürgerschaft war am Sonntagabend zügig klar – SPD und Grüne können mit ihren Fraktionen weiter koalieren. Doch mit welchen Abgeordneten? Das muss durch das etwas kompliziertere Hamburger Wahlrecht detailliert ausgezählt werden und braucht einen Tag Arbeit, da die Listenaufstellungen der Parteien für die Wäh­le­r:in­nen nicht bindend sind. Nun steht weitgehend fest, wer es ins Parlament geschafft hat – und wer überraschend nicht.

Ohne allzu häufigen Zwist arbeiteten SPD und Grüne in der vergangenen Legislatur zusammen. Nur einmal wackelte für einige Tage die Koalition im Frühjahr 2023 dann doch beträchtlich: Als die Grünen-Abgeordnete Miriam Block den Linken-Antrag für die Einsetzung eines parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschusses unterstützte, platzte der SPD-Spitze kollektiv der Kragen und zwang die Grünenspitze zum Eingreifen.

Aber die grüne Fraktionsspitze war ohnehin sauer, entzog Block die Fraktionsaufgaben. Für die kommende Bürgerschaft hat Block nun jedoch wieder ein Mandat errungen – trotz schlechter Listenplatzierung erhielt sie sogar deutlich mehr Direktstimmen als etwa Ko-Fraktionschef Dominik Lorenzen.

Dagegen geht den Grünen mit Farid Müller ein Abgeordneter verloren, der erstmals in die Bürgerschaft einzog, als die jüngste Grünen-Abgeordnete Rosa Domm noch nicht mal geboren war: Seit 1997 saß Müller in der Bürgerschaft. Lange Zeit war er ihr Sprecher für Queerpolitik, stieß 1999 die sogenannte Hamburger Ehe an, mit der erstmals in Deutschland homosexuelle Paare ihre Partnerschaft beim Standesamt eintragen lassen konnten. Hätte er den Wiedereinzug geschafft, wäre er dienstältester Abgeordneter geworden. Jetzt ist es der CDU-Abgeordnete Ralf Niedmers.

Linken-Politikerin Özdemir: Hamburg oder Berlin?

Mit 15 Abgeordneten, so viele wie nie zuvor, wird die Linke wieder in die Bürgerschaft einziehen. Wer genau es wird, ist zu einem kleinen Teil noch offen: Da die bisherige Fraktionschefin Cansu Özdemir völlig überraschend vor zwei Wochen auch ein Bundestagsmandat gewann, könnte sie nach 14 Jahren aus der Bürgerschaft scheiden – dann würde Stephan Jersch, bislang umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, es doch wieder ins Parlament schaffen. Noch hat sich Özdemir aber nicht entschieden.

Während im Januar vergangenen Jahres noch rund 180.000 Menschen seinem Aufruf folgten – und an einer der bundesweit größten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilnahmen -, stimmten bei der Hamburg-Wahl nicht genügend Wäh­le­r:in­nen für den SPD-Politiker Kazim Abaci. Nach drei Wahlperioden ist für ihn nun ziemlich überraschend Schluss. „Es war mir eine Ehre, 14 Jahre lang für die Menschen dieser Stadt Politik zu machen“, teilte er zum Abschied mit.

Und mit Markus Schreiber zieht ein weiterer, in öffentlichen Diskussionen durchaus einflussreicher Sozialdemokrat nicht wieder in die Bürgerschaft. Der gehörte er die vergangenen zehn Jahre an; stellte sich in der Zeit auch immer mal wieder quer zur Parteilinie – war aber lange Zeit auch als der Mann bekannt, der sich vor seiner Bürgerschaftszeit als Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte für die Vertreibung von Obdachlosen aus St. Pauli massiv einsetzte.

Bei der CDU ist ein früherer Senator wieder in die Bürgerschaft eingezogen. Dietrich Wersich war bereits Abgeordneter von 1994 bis 2004 sowie von 2011 bis 2020. Von 2008 bis 2011 war er Senator für Gesundheit und Soziales, führte anschließend die Fraktion an und wollte 2015 für die CDU Hamburger Bürgermeister werden.

Mit Peter Tschentscher, Melanie Leonhard, Andreas Dressel und Ksenija Bekeris auf Seiten der SPD und Katharina Fegebank, Anjes Tjarks und Anna Gallina bei den Grünen sind auch der amtierende Bürgermeister und einige Se­na­to­r:in­nen ins Parlament eingezogen. Sollten Sie auf ihre angestammten Posten im Senat ernannt werden, müssen sie ihr Mandat abgeben. Einige Nach­rü­ck­e­r:in­nen dürfen aktuell also noch auf einen verspäteten Einzug in die Bürgerschaft hoffen. Bis in den Frühsommer hinein könnte es aber noch dauern.

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