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Netanjahu nennt Trumps Pläne für Gaza „mutig“ und will sie in die Tat umsetzen

Beim Besuch des US-Außenministers Marco Rubio in Israel lobt der Ministerpräsident die Vertreibungspläne. Unterdessen werden drei israelische Geiseln gegen 369 palästinensische Gefangene ausgetauscht. Die Waffenruhe hat gehalten

Der sogenannte Geisel-Platz in Tel Aviv: Israelis schauen hier die Live-Übertragung der Geiselbefreiung Foto: Oded Balilty/ap

Aus Jerusalem Felix Wellisch

Gerade hat die brüchige Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen ihre bisher schwerste Woche überstanden, da stellt sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erneut hinter den Plan von US-Präsident Donald Trump, die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen zu vertreiben.

„Wir haben Trumps mutige Vision für die Zukunft des Gazastreifens diskutiert und werden daran arbeiten, dass diese Vision Realität wird“, sagte Netanjahu am Sonntag nach einem Besuch von US-Außenminister Marco Rubio in Jerusalem.

Rubio schloss sich im Gegenzug dem seit Langem von Netanjahu formulierten Ziel an, die Hamas militärisch und politisch zu „eliminieren“, ein Ziel, das mitunter selbst die israelische Militärführung als unrealistisch bezeichnet hat. Zudem nannte er den Iran als „größte Quelle der Instabilität“ in der Region.

Zuvor waren am Samstag drei weitere israelische Geiseln gegen 369 palästinensische Gefangene ausgetauscht worden. Dass die Waffenruhe überhaupt über das Wochenende halten würde, war bis zuletzt unsicher. Nachdem die Hamas Anfang vergangener Woche überraschend wegen vermeintlicher israelischer Verstöße angekündigt hatte, keine weiteren Geiseln mehr freilassen zu wollen, hatte US-Präsident Donald Trump das Abkommen infrage gestellt: Noch am Samstag sagte er, Israel müsse eine „sehr harte Haltung einnehmen“, wenn nicht alle 76 Geiseln am selben Tag freikämen.

Daraufhin ließ die Hamas am Samstag nach 498 Tagen Gefangenschaft die drei israelischen Geiseln Sagui Dekel-Chen, Sasha Trufanov und Iair Horn frei – doch nicht ohne die Übergabe erneut als Machtdemonstration zu inszenieren. Die drei Männer mussten wie in vorherigen Runden minutenlang auf einer Bühne zwischen bewaffneten Hamas-Kämpfern posieren. Hinter ihnen prangte der Schriftzug: „Keine Migration, außer nach Jerusalem“ – eine Absage an Trumps Plan, die rund zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens in andere Staaten umzusiedeln.

Dekel-Chen berichtete laut der Times of Israel nach seiner Freilassung von Folter. Seine Frau, die zwei Monate nach seiner Verschleppung hatte in Israel eine Tochter geboren hat, erhielt eine Goldmünze als „Geburtsgeschenk“. Erst beim Wiedersehen mit seiner Frau Avital erfuhr er den Namen seiner einjährigen Tochter: „Schahar Mazal“.

Trufanov hingegen wurde erst bei seiner Freilassung darüber informiert, dass sein Vater beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 ermordet worden war.

Nicht weniger propagandistisch inszenierte Israel die Freilassung von 369 palästinensischen Gefangenen, unter ihnen 36 wegen tödlicher Angriffe auf Israelis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die teils ins besetzte Westjordanland, teils in den Gazastreifen und teils ins Ausland entlassenen Häftlinge mussten weiße T-Shirts mit Davidstern tragen. Darunter stand auf Arabisch: „Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht.“ Angesichts dieser Szenen rief das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), sonst strikt auf Neutralität bedacht, beide Seiten dazu auf, künftige Übergaben mit mehr Rücksicht auf die Würde und Privatsphäre der Betroffenen zu gestalten.

Im weitgehend zerstörten Gazastreifen bergen Angehörige und Rettungskräfte auch einen Monat nach Beginn der Waffenruhe noch Tote aus den Trümmern. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium teilte mit, binnen 48 Stunden seien 25 Leichen gefunden worden. Die Zahl der Kriegstoten beziffern die Behörden damit auf 48.264. Bei einem Luftangriff im Süden des Küstenstreifens wurden nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa am Sonntagmorgen drei Hamas-Polizisten getötet. Die israelische Armee gab an, die Gruppe habe sich Soldaten genähert.

„Keine Migration, außer nach Jerusalem“, steht auf einem Banner hinter den freigelassenen Geiseln der Hamas

Auch im Libanon starben laut Zivilschutz bei einem israelischen Luftangriff auf ein Fahrzeug drei Menschen. Die israelische Armee sprach von einem hochrangigen Mitglied der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz, der mit dem Start von Drohnen mehrfach die Waffenruhe verletzt haben soll. Israels Truppen hätten laut dem Abkommen von Ende November bereits Ende Januar den Libanon verlassen sollen, die Regierung zögert den Abzug jedoch unter Verweis auf Verstöße seitens der Hisbollah hinaus.

In Beirut kam es am Samstag zu Zusammenstößen zwischen Soldaten und Demonstranten. Die Hisbollah hatte zu Protesten auf der Straße zum Flughafen aufgerufen, nachdem zweimal Flugzeuge aus dem Iran die Landeerlaubnis verweigert worden war. Laut der Nachrichtenagentur AFP sollen Warnungen aus den USA vorausgegangen sein, Israel könne die Flugzeuge angreifen. Die israelische Führung hat der Hisbollah mehrfach vorgeworfen, über Flüge aus dem Iran Waffen und Geld ins Land zu bringen. Die libanesischen Behörden und die Miliz selbst bestreiten das.

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