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Anarchie in eckigen Klammern [gute Überschrift, d. säzzer]

Georg Schmitz kommentierte in den frühen taz-Jahren AutorInnen-Texte mit seinen Säzzer-Bemerkungen [Gut so! dS]. Hier beschrieb er 2016, wie es dazu kam

Bitte nicht kürzen: Georg Schmitz (langer Bart) im Februar 1994 Foto: Katharina Eglau

Von Georg Schmitz

Montagnachmittag, das Telefon klingelt: „Mein lieber Georg, ich habe ein Attentat auf dich vor“ – der Kollege Feddersen ist freundlich-bestimmt [Typisch für diesen Kollegen. d. Säzzer] und verlangt einen Text [Auch sehr typisch. dS] über die Säzzer-Bemerkungen in der taz. Ja, danke und halleluja, denke ich mir und überlege: Was tun? Vielleicht Kollegen aus der damaligen Zeit ausfindig machen und befragen? Ich bekomme spontan (wie eben früher die Säzzer-Bemerkungen das mal waren) eine Schreibblockade und beschließe, erst mal einen Tag abzuwarten – vielleicht ist der Anfall ja dann vorbei.

Glanz und Elend der Säzzer-Bemerkungen – ja geht es noch? Geglänzt haben einige, elend fühlten sich etliche – besonders die Autoren, die ihren Text, ihren Kommentar oder ihr Interview „verstümmelt“ sahen. [War wohl damals doch nicht so viel her mit den edlen Ideen von der Gleichberechtigung im taz-Kollektiv. dS]

Seltsamerweise waren es übrigens meistens die Autoren, sehr selten nur die Autorinnen, die sich über „entstellte Texte“ bitterböse beklagten – oft genug auf den Redaktionssitzungen am folgenden Tage – aber da war der Text meist schon im Blatt und damit das Müsli schon gegessen.

Ich kann mich auch noch an die ein oder andere Redaktionssitzung in der Berliner Wattstraße, am damaligen Sitz der taz-Redaktion, erinnern, auf der überlegt wurde, die Bemerkungen in einem Text oder einer Ausgabe zahlenmäßig zu begrenzen oder gar ganz zu ver­bieten. [Typisch, diese Salonlinken, die immer alles gleich verbieten wollen, was ihnen nicht passt. dS]

Aber – was verboten ist, das machte uns gerade scharf, und so ging es eine ganze Weile in den Anfängen der taz munter rauf und runter mit den Einfügungen in fremde Texte. [Gut so! dS] Das war ja auch ein ganz einfacher Ablauf damals: Man saß im Satzbüro der taz, hatte einen ellenlangen Text ins Satzsystem einzutippen, damit der dann als Foto­satzfahne wieder im Layout weiterverarbeitet werden konnte. Und die Augen lasen den Text, die Finger tippten ihn ab, und im Kopf dazwischen ging derweil die Asso­ziationspost ab und führte einen zu Kapriolen, um irgendwelche „Zwischenrufe“ loszuwerden.

Da ist mir kein Text untergekommen, bei dem nicht irgendwelche Bilder in meinem Kopf aufgetaucht sind und wo erst mal munter getippt und gekichert wurde [Früher war eben doch manches besser, auch in der taz. dS] – wobei dann beim nochmaligen Lesen des Textes samt Bemerkung auch oft genug gesagt wurde: Nu is aber gut, verstehen werden nur wir das, und den Zusammenhang können wir aber keinem begreiflich machen.

Der leise Niedergang der Säzzer-Kommentare

Also wieder raus aus dem heiligen Text mit der Bemerkung in den einprägsamen eckigen Klammern. Das musste aber jede der Kolleginnen und Kollegen mit sich selbst abmachen. [Im Zweifel für die eckige Klammer. dS] Und auch oft genug hernach Spötteleien – oder Lob für besonders Knalliges – ertragen. [Lob in der taz? „Damals“ ist echt lange her. dS]

Welche finsteren – oder lichten – Götter dazu führten, dass die Säzzer-Bemerkungen rar wurden, kann ich nicht mehr sagen. Ein Grund dafür war sicherlich die fortschreitende Technisierung – irgendwann in den frühen Neunzigern standen auf jedem Redaktionstisch Computer, an denen die Re­dak­teur*innen selber ihre Texte ins Satzsystem eintippen konnten.

Ganz fortschrittliche Auto­r*innen hatten zu Hause bereits einen Computer und kamen mit ihren Texten auf Disketten in der taz an, dann musste man diese nur noch ins damalige Satzsystem einlesen lassen. Dort noch Säzzer-Bemerkungen einzufügen, wäre wohl etwas überkandidelt gewesen. [Dabei hätte die Devise gelten müssen: Jetzt erst recht. dS]

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