: Frankreichs Linkebricht auseinander
Premier Bayrou übersteht am Mittwoch zwei Vertrauensabstimmungen, weil die Sozialisten aus dem Linksbündnis ausscheren. Der Staatshaushalt für 2025 gilt als angenommen
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Aus Paris Rudolf Balmer
Frankreichs Premierminister François Bayrou kann erst mal aufatmen. Er hat am Mittwochabend im Unterschied zu seinem Vorgänger Michel Barnier gleich zwei Vertrauensabstimmungen nacheinander überstanden. So hat er nicht nur seinen Posten als Regierungschef, sondern auch seine umstrittene Vorlage für den Staatshaushalt des laufenden Jahres gerettet. Dieser sieht zur Bekämpfung der wachsenden Schuldenlast eine drastische Senkung der Ausgaben (im Wert von 30 Milliarden Euro) sowie zusätzliche Steuererhöhungen (rund 20 Milliarden Euro) vor. Der Premierminister räumte selber ein, es sei „kein perfektes Budget“, seine Verabschiedung aber sei absolut dringlich gewesen.
Nach einem ersten Votum über den Misstrauensantrag gegen den Staatshaushalt war später am Abend auch ein zweiter erfolglos, da wegen der Uneinigkeit der Oppositionsfraktionen die absolute Mehrheit von 289 Stimmen bei Weitem nicht erreicht wurde. Bayrou sagte, die Ergebnisse würden helfen, einen „wirtschaftlichen und demokratischen Schiffbruch zu vermeiden“. Das Ergebnis ist für den Regierungschef selber lediglich eine Verschnaufpause, er muss in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten mit weiteren Vertrauensabstimmungen rechnen.
Da Bayrou bereits für eine weitere Gesetzesvorlage zum „Holzhammer“ des Verfassungsartikels 49.3 greifen will, weil er keine Mehrheit hat, kündigte die linke Partei La France insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon prompt schon einen dritten Misstrauensantrag an.
Der Ausgang der Voten am Mittwoch war bereits vorher klar gewesen, als zuerst die Abgeordneten der Parti Socialiste (PS) ankündigten, dass sie nicht für den Antrag der Linkspartei La France insoumise (LFI), der Grünen (EELV) und Kommunisten (PCF) stimmen würden. Und erst recht, als nach einigem Zögern auch die Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und der mit ihr verbündeten Fraktion des Ultrakonservativen Eric Ciotti, sagten, dass sie nicht mit der linken Opposition stimmen würden.
Die Sozialisten hatten sich davon überzeugen lassen, dass ein erneuter Sturz einer Regierung verantwortungslos wäre. Weil sie mit ihrer Stimmenthaltung aber Bayrou und seinen Staatshaushalt gerettet haben, werden sie von ihren bisherigen Verbündeten der „Neuen Volksfront“ scharf kritisiert. Mélenchon und andere Sprecher der LFI sprachen von „Verrat“ und erklärten, die PS habe sich so selber aus der linken Allianz ausgeschlossen: Wer die Regierung und ihre Haushaltspolitik unterstütze, sei nicht mehr Teil der Opposition, sondern ein Anhängsel der „Macronisten-Koalition“.
Der sozialistische Parteichef Félix Faure antwortete ihm, er sei nicht der „Chef“ der linken Volksfront, der selbstherrlich einen Ausschluss dekretieren könne. Die Einheit der linken Parteien war bereits nach heftigen Kontroversen über den Nahostkonflikt brüchig, jetzt droht sie vollends auseinanderzubrechen.
Wie heftig nun innerhalb der gespaltenen Linken polemisiert wird, verdeutlicht ein LFI-Plakat, das von „neuen Allianzen“ zwischen PS und RN spricht und dazu die Köpfe der angeblichen Partner Marine Le Pen, Emmanuel Macron und PS-Parteichef Félix Faure abbildet. Faure fordert eine „Entschuldigung“ seitens der LFI.
LFI-Chef Mélenchon verlangt, das Verhalten der Sozialisten müsse Konsequenzen haben. Er betrachte sie jetzt als Gegner. Mit diesen „Krämern und Lügnern“ und dem „Sektierertum feister Pariser Kleinbürger“ habe er nichts am Hut, polterte er am Mittwoch in einer Rede vor Anhängern in Angers.
Die Grünen und Kommunisten, die im Unterschied zu den Sozialisten mit LFI für den Misstrauensantrag gegen Bayrou gestimmt hatten, sind weit weniger empört. Sie sehen in der Enthaltung keinen „casus belli“, sondern hegen noch die Hoffnung, dass sich LFI-Linke und Sozialisten in kommenden Runden des Kampfs gegen die „regressive Regierungspolitik“ wieder zusammenraufen.
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