Zollstreit mit USA: China schlägt zurück – ein bisschen
Im Handelsstreit mit den USA demonstriert China sowohl Stärke als auch Kompromissbereitschaft. Noch hofft Peking auf einen Deal mit Trump.
Ziemlich genau sechs Jahre nach dem ersten Handelskrieg zwischen den USA und China startet nun die zweite Runde im Konflikt der zwei Weltmächte. Auf Donald Trumps Strafzölle gegen chinesische Produkte in Höhe von 10 Prozent hat die Volksrepublik mit Gegenmaßnahmen reagiert.
Unter Experten herrscht bislang Uneinigkeit, wie die Reaktion Pekings einzuordnen ist. Tatsächlich handelt es sich um mehr als rein symbolische Vergeltungsaktionen: So belegt China Kohle und Flüssiggas aus den USA mit Zusatzzöllen von 15 Prozent, bei Öl und landwirtschaftlichen Maschinen sind es immerhin 10 Prozent.
Zudem hat das Handelsministerium Exportkontrollen für ein paar Metalle eingeführt, die insbesondere für die Elektronikbranche von Bedeutung sind. Und dann kündigte Peking noch eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Google an. Das Unternehmen ist zwar im Reich der Mitte de facto gesperrt, doch viele chinesische Firmen geben flächendeckende Werbekampagnen bei dem kalifornischen Tech-Konzern in Auftrag.
Dennoch reagierten die Märke gelassen. Der Hongkonger Leitindex Hang Seng ist am Dienstag um knapp 3 Prozent gestiegen. Die Börsen in Festlandchina öffnen aufgrund der traditionellen Neujahrsferien erst am Mittwoch. Bei näherer Betrachtung ergibt die fast schon euphorische Reaktion Sinn. Denn Peking hat zwar durchaus Stärke demonstriert, aber eben auch Kompromissbereitschaft: Die Gegenzölle sollen nämlich erst am 10. Februar in Kraft treten. Das wäre genügend Zeit, um mit US-Präsident Donald Trump noch eine kurzfristige Einigung zu erzielen.
Dafür spricht auch, dass sich die von der kommunistischen Partei kontrollierten Medien am Dienstag bei der Berichterstattung auffallend zurückhielten. Das bei Unternehmern und Investoren renommierte Wirtschaftsmedium Caixin schrieb über die Strafzölle, als handele es sich um eine Nachricht unter vielen. Selbst auf Weibo, der führenden Online-Plattform des Landes, verschwand das Thema bis zum Abend bereits von der Liste der 10 Top-News.
Ganz offensichtlich wollte die Staatsführung keine antiamerikanischen Geister in der Bevölkerung wachrufen, deren Rachegelüste sie am Ende nicht befriedigen kann. Denn angesichts der angespannten Wirtschaftslage dürfte Peking zu diesem Zeitpunkt nicht den ökonomischen Konflikt mit den Vereinigten Staaten suchen. Denn ganz gleich, welches Berechnungsmodell man heranzieht: In jedem denkbaren Szenario würde ein Handelskrieg zwischen den zwei Weltmächten keinen Gewinner hervorbringen, sondern ausschließlich Verlierer mit lediglich graduellen Unterschieden.
Doch auch wenn Peking den Konflikt vermeiden möchte, stellt es sich gleichzeitig auf alle erdenklichen Szenarien ein. In den letzten Jahren hat Staatschef Xi Jinping seine Volkswirtschaft in rasanter Geschwindigkeit transformiert, um sich bestmöglich gegen Washingtons Sanktionen zu wappnen. Dazu gehört insbesondere bei Zukunftstechnologien das Ziel, möglichst autark zu werden.
Und wenn es hart auf hart kommt, hat Peking immer noch mehrere Asse im Ärmel. Einen dürfte die Zentralbank bereits am Mittwoch ausspielen: Es wird erwartet, dass sie den Renminbi künstlich abwertet, um chinesische Waren in den USA durch einen günstigeren Wechselkurs weiterhin attraktiv zu halten. Mit dieser Taktik hat China bereits 2018 die Strafzölle Trumps bis zu einem gewissen Grad abfedern können.
Zudem steht der Einparteidiktatur ein ganzer Werkzeugkasten an ökonomischen Sanktionen zur Verfügung, wie sie in einem demokratischen Rechtsstaat nicht möglich wären: US-Unternehmen könnten etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge subtil ausgebootet werden oder plötzlich ins Visier besonders penibel agierender Aufsichtsbehörden geraten. Wahrscheinlich wäre auch, dass die Parteizeitungen Boykottbewegungen anzetteln, um die chinesischen Konsumenten gegen US-Produkte anzubringen.
Schlussendlich aber könnte es Donald Trump höchstselbst sein, der der Volksrepublik China in die Hände spielt: Denn je stärker der US-Präsident auch seine Verbündeten in Europa, Ostasien oder Nordamerika vor den Kopf stößt, desto aktiver werden diese die Äquidistanz zu den USA und China suchen. Der transatlantische Schulterschluss jedenfalls, den viele westliche Staaten unter der Amtszeit Joe Bidens anstrebten, dürfte mit Trumps polternder Zollpolitik vorerst vorbei sein. „Es ist bereits klar, dass die Trump-Regierung die EU als Gesprächspartner zurückstuft“, kommentierte Noah Barkin, China-Experte beim German Marshall Fund.
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