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Rabatt für Gesundheitsdaten

Geht es nach Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, sollen Menschen profitieren, die ihre persönlichen Gesundheitsdaten freigeben. Kri­ti­ke­r:in­nen sehen den Datenschutz gefährdet

Von Amelie Sittenauer

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich für eine kommerzielle Nutzung sensibler Gesundheitsdaten ausgesprochen. Patient:innen, die ihre persönlichen Gesundheitsdaten bereitstellen, sollen nach seiner Vorstellung niedrigere Krankenkassenbeiträge zahlen. Kritik kommt sowohl von SPD und Grünen als auch von Digital­experten. Der Spitzenverband der gesetztlichen Krankenversicherungen betont die Unverhandelbarkeit von Datenschutz.

Gemacht hatte Merz den umstrittenen Vorschlag, der allerdings nicht im Wahlprogramm des Union steht, am vergangenen Donnerstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Dresden. In einer Rede forderte er: „Jeder, der seine Daten bereit ist auf dieser Karte zu speichern, bekommt 10 Prozent weniger Krankenversicherungsbeiträge als derjenige, der Angst hat und sagt: ‚Ich will das nicht.‘“ In Deutschland, befand er, werde zu viel über Datenschutz geredet und zu wenig über Datennutzung.

Merz’ Vorschlag bezieht sich auf die elektronische Patientenakte (ePA). Sie startete am 15. Januar in Modellregionen, bald soll sie bundesweit ausgerollt werden. In der digitalen Akte sammelt sich alles, was an Gesundheitsdaten anfällt: Diagnosen und Befunde oder verordnete Medikamente – sofern die Betroffenen die Zugriffsrechte nicht einschränken. Rund 95 Prozent aller gesetzlich Versicherten haben der ePA nicht widersprochen, für sie wird eine solche angelegt.

Seit Langem warnen Da­ten­schüt­ze­r:in­nen vor dem Missbrauchs- und Diskriminierungspotenzial der ePA. Vorgesehen ist, dass auch Privatunternehmen pseudonymisierte Daten für die medizinische Forschung benutzen können. Welche Unternehmen genau und zu welchem Zweck, entscheide das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) auf Grundlage des „Gemeinwohls“.

Merz’ Vorschlag würde nun ausdrücklich jene finanziell bevorteilen, die bereit sind, ihre persönlichen Gesundheitsdaten zu teilen. Das kritisiert auch Digitalexpertin Bianca Kastl. Auf Mastodon schreibt sie: „10 Prozent für Datenspeichern? Gut, wenn du normale Krankheiten hast. Hast du stigmatisierte Krankheiten und willst das nicht speichern? […] Pech.“

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) wollte auf taz-Nachfrage nicht ins Detail gehen, erklärte aber: „Datenschutz ist für uns nicht verhandelbar, sondern die Basis der Digitalisierung.“

Angesichts der Kostensteigerungen in den gesetzlichen Krankenversicherungen, die zuletzt auch zu Beitragserhöhungen für die Versicherten führte, ist die Finanzierbarkeit von Merz’ Vorschlag mehr als fraglich. Kritik kommt auch vom grünen Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen: „Gesundheitsdaten sind kein Rabattcoupon.“ Der Vorschlag zeuge von fehlender Fachkenntnis in Digitalisierung. Gesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte am Montag: „Gesundheitsdaten dürfen nicht verkauft werden.“ Wer die ePA nutze, mache das für eine bessere Behandlung; wer die Daten anonym spende, helfe der Forschung.

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