berliner szenen: Ohne Schlaf arbeitet die Fantasie
Klack-klack, die Bettlampe von Frau F. geht an. „Schlafen Sie auch nicht?“, fragt sie.
„Nein. Und Sie?“, frage ich rhetorisch zurück. „Nein, ich auch nicht“, antwortet sie und macht das Licht wieder aus. Klack-klack.
Wir sind im Haus 1 des Martin-Luther-Krankenhauses, in der dritten Etage. Das ist meine zweite Nacht nach der Knie-OP. Frau F. muss noch an der rechten Schulter operiert werden. Sie sei gestürzt, erklärt sie. „Ich bin ja 91.“
In der ersten Nacht nach der OP fiel es mir leichter einzuschlafen: Vielleicht hat die Vollnarkose noch nachgewirkt. Am zweiten Tag sind die Schmerzen dagegen so stark, dass keine Schmerztabletten sie mindern können.
Deshalb bin ich hellwach, als Frau F. erneut die Lampe anmacht. „Das tut mir leid für Sie“, sagt sie. Sie selbst habe keine Schmerzen, aber ihre Hand ist geschwollen, und sie muss auf die Toilette. Allerdings, möchte sie die Schwester von der Nachtschicht nicht stören – diese scheint böse auf uns zu sein, wenn wir klingeln. Sie bleibt an der Tür stehen, blinzelt demonstrativ und dreht die Augen leicht nach oben. Ich kann ihr „Was ist denn jetzt?“ hören, auch wenn ihre Lippen sich nicht bewegen.
Oder ist das alles nur meine Fantasie? Im Laufe der schlaflosen Nacht frage ich mich, ob ich die OP wirklich überstanden habe. Alles kommt mir auf einmal wie ein Déjà-vu vor, alle Gesichter scheinen mir vertraut. Sogar den Sohn von Frau F. glaube ich, schon gesehen zu haben. Ich überlege kurz, die Schwester zu fragen, ob das alles real ist, aber dann lasse ich es sein.
Kurz vor dem Frühstück schlafe ich doch ein, und Frau F. tut es ebenfalls, wie sie mir später erzählt.
„Hoffentlich wird es heute Nacht besser“, sage ich. „Das hoffe ich auch“, sagt sie und bestellt sich zwei Tassen Kaffee. Luciana Ferrando
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