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Neuer Präsident im LibanonWahl als Verfassungsbruch

Mit Joseph Aoun hat der Libanon endlich wieder ein Staatsoberhaupt. Laut Verfassung dürfte der Ex-Militär gar nicht Präsident werden.

Der neu gewählte libanesische Präsident Joseph Aoun sitzt im Präsidentenpalast in Baabda, Libanon, Donnerstag, 9. Januar 2025 Foto: Bilal Hussein/ap

Beirut taz | Nelson Mandela, Bernie Sanders oder den Nikolaus: so manch kreativen Namen schrieben libanesische Abgeordnete auf die Wahlzettel für einen neuen Präsidenten. Zwei Jahre und 12 Sitzungen reichten nicht, um ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Konfessionell-politische Blockaden verhinderten eine Einigung.

Abgeordnete der Hisbollah und mit ihr verbündete Parteien verließen einige Male den Sitzungssaal. Stimmzettel waren mit „Neuer Libanon“ beschriftet, andere wählten „einen aufgeklärten Diktator“. Am Donnerstag dieser Woche kam dann der Durchbruch. Der bisherige Armeechef Joseph Aoun hatte zwar gar nicht offiziell kandidiert, wurde aber mit 99 Stimmen im zweiten Wahlgang gewählt.

Die USA, Frankreich und Saudi-Arabien hatten massiv Druck gemacht, damit die meisten Parlamentsblöcke Aoun unterstützen. Damit auch alles glatt ging, saßen Diplomaten bei der Wahl mit im Raum: Die Botschafter aus Saudi-Arabien, Ägypten, Frankreich und den USA, außerdem der französische Gesandte des Präsidenten, Jean-Yves Le Drian. „Souveränität weint in einer Ecke“, schrieb ein Abgeordneter auf den Wahlzettel.

Mehrere unabhängige Abgeordnete sprachen von Verfassungsbruch. Die Verfassung verbietet, dass Armee-Chefs Präsidenten werden. Doch im Libanon war das bereits vier Mal der Fall. Michel Aoun war Armee-Chef, dann ging er in Rente, bevor er 2016 das Amt des Präsidenten übernahm.

Außergewöhnliche Umstände

Die Wahl trotz Verfassungsbruchs begründeten viele Oppositions-Abgeordnete mit außergewöhnlichen Umständen: Eine tiefe Wirtschaftskrise, politischer Stillstand sowie Zerstörungen durch den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah mit einem fragilen Waffenstillstand, den Israel regelmäßig bricht.

In seiner langen Antrittsrede kündigte Aoun eine „neue Phase des Libanon“ an und damit all das, was sich die ausländischen Diplomaten gewünscht hatten, wofür 13 unabhängige Abgeordnete gewählt worden und Protestierende auf die Straße gegangen waren: Er versprach eine unabhängige Justiz, Kampf gegen Mafia-Methoden und parlamentarische Konsultationen, um einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen und eine neue Regierung zu bilden.

Seit Mai 2022 regelt eine geschäftsführende Regierung nur das Nötigste. Aoun bekräftigte, dass nur der Staat das Recht auf den Einsatz von Waffen habe und die „israelische Besatzung“ im Südlibanon beenden dürfe. Das Militär solle die Grenze zu Israel sichern, nicht die Hisbollah.

Ob Aoun alle Vorhaben durchsetzen kann, ist fraglich. Er wird zumindest als integer angesehen. Er sei ein Patriot und jemand gewesen, der keiner Konfession angehörte, sagte Amine Hoteit, Aouns ehemaliger Brigadekommandeur, der libanesischen Zeitung L’Orient-Le Jour.

Gelder für Wiederaufbau

Die Wahl bedeutet ein Einlenken der Hisbollah in der Frage um das Präsidentenamt. Sie könnte ein Signal an den Westen und Saudi-Arabien sein, finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen – Mittel, die weder die Hisbollah, noch der Staat haben. Aoun muss nun die Hisbollah dazu bewegen, ihre Kämpfer und Raketen aus dem Südlibanon abzuziehen, ihren militärischen Flügel aufzugeben und eine rein politische Partei zu werden.

„Die pro-iranische Gruppe ist verwundet, aber noch lange nicht besiegt“, schreibt der Chefredakteur der Zeitung L’Orient-Le Jour, Anthony Samrani. „Sie kann immer noch lähmen.“ Die Hisbollah sei bekannt für politische Morde. Nun habe sie zumindest verstanden, dass der Staat mit Hilfe ausländischer Gelder aufgebaut werde und damit nationale Interessen auch ihrem schiitischen Klientel zu Gute kämen, so Samrani. „Was aber nicht bedeutet, dass sie bereit ist, abzurüsten.“ Sie verlasse den Süden unter internationalem Druck. Samrani ist vorsichtig optimistisch, dass Aoun es schaffen könnte, die Kämpfer der Hisbollah in das nationale Militär einzugliedern.

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