: Auch in Schulen und Kirchen nicht mehr sicher
Der neue US-Präsident Trump macht Ernst mit der Ankündigung, schneller abzuschieben, und weitet die Befugnisse der Behörden aus. Wer die Menschen zurücknimmt, ist unklar
Von Bernd Pickert
Der Terminus „expedited removal“, auf Deutsch „beschleunigte Rückführung“, bezeichnete in der US-Migrationspolitik bislang ein relativ streng limitiertes Abschiebeverfahren. Wer ohne gültige Einreisedokumente in einer 100 Meilen tiefen Zone vor der Grenze angetroffen wurde, keinen Asylantrag stellte und sich kürzer als zwei Wochen im Land befand, konnte von den Behörden ohne längliche Gerichtsverfahren direkt abgeschoben werden.
Seit Dienstagmorgen, 6 Uhr Ortszeit, ist dieses Verfahren von der Trump-Regierung verändert und ausgeweitet. Jetzt gilt die „beschleunigte Rückführung“ für jede Person im ganzen Land, die keine gültigen Dokumente hat und nicht nachweisen kann, schon mindestens zwei Jahre im Land zu sein. Dass es legal sein soll, all diesen Menschen jegliches Recht auf ein Verfahren zu nehmen, wird vermutlich seinerseits Gegenstand von Klagen werden. Aber zunächst weitet die Neuregelung die Befugnisse der Immigrations- und Zollbehörde ICE massiv aus.
Gleiches gilt auch für eine weitere Neuregelung. Die Biden-Regierung hatte die Möglichkeiten der ICE, papierlose Migrant*innen festzusetzen, für bestimmte sensible Bereiche stark eingeschränkt. So durften die ICE-Beamten etwa weder in Schulen noch in Kirchen oder Krankenhäuser eindringen, um dort einzelne Menschen herauszuzerren. Auch bestimmte soziale Aktivitäten waren vom Zugriff der Häscher ausgenommen, so etwa Demonstrationen.
All das hatte Joe Bidens Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas einst unterzeichnet. Jetzt hob Trumps geschäftsführender Heimatschutzminister Benjamine Huffman diese Einschränkungen mit einem eigenen Memo auf. Huffman ist im Amt, bis die von Trump eigentlich für den Job nominierte Kandidatin, die derzeitige Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, vom Senat bestätigt ist.
Für Entsetzen entlang der US-Südgrenze sorgt weiterhin die Abschaltung der von den Grenzbehörden für ein legales Asylverfahren unter der Biden-Regierung eingerichtete App CBP One. Damit konnten Asylsuchende elektronisch einen Termin für ihre Antragstellung vereinbaren – etwa 270.000 solcher Anfragen sollen zum Zeitpunkt des Abschaltens am Montag in der Pipeline gewesen sein.
Trump hatte stets betont, er habe nichts gegen Migration, nur die illegale Grenzübertreteung müsse aufhören. Aber für mindestens vier Monate will die Trump-Regierung jetzt auch keine Asylanträge oder bereits anerkannte Flüchtlinge mehr aufnehmen. Für viele, die auf der mexikanischen Seite der Grenze in dieser Etappe des Verfahrens stecken, bricht damit eine Welt zusammen.
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Was seine im Wahlkampf ein ums andere Mal angekündigte „größte Abschiebeaktion der US-Geschichte“ angeht, hatten Trump und sein „Border Zsar“ Tom Homan in den letzten Monaten stets versichert, zunächst wolle man jenen nachstellen, die in den letzten Monaten illegal eingereist seien und in den USA Straftaten begangen hätten – wobei Trump diese Zahlen stets massiv übertrieben hat. Nach Recherchen der New York Times befinden sich derzeit etwa 655.000 ausländische Staatsbürger ohne Aufenthaltspapiere in den USA, die wegen Verstößen entweder angeklagt oder verurteilt sind – die meisten davon allerdings wegen kleiner Vergehen etwa im Straßenverkehr. 39.000 sind im Abschiebegewahrsam der ICE – damit sind deren Aufnahmekapazitäten ziemlich ausgefüllt.
Nunmehr allerdings soll ausnahmslos jede Person, die von der ICE ohne gültige Aufenthaltspapiere angetroffen wird, in Abschiebehaft genommen werden können. Um das zu bewerkstelligen, sollen schnell provisorische Lager mit großer Aufnahmekapazität geschaffen werden. Wie es allerdings zu Rücknahmevereinbarungen mit den zahlreichen Herkunftsstaaten kommen soll, ist bislang überhaupt nicht ausgeführt.
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