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berliner szenenNeukölln vermisse ich immer

Applaus und Jubel brausen auf, als wir in Berlin gelandet sind. Meine Freundin ist damit nicht einverstanden. Sie meint, die Piloten seien bestimmt betrunken gewesen. Ich dagegen denke, dass es sehr windig war und sie uns das Leben gerettet haben. Wir sahen kurz die Lichter der Stadt von oben, dann fing das Flugzeug an, sich in alle Richtungen heftig zu bewegen. Wir hielten uns fest, atmeten tief ein und aus und schauten geradeaus. Nur das Kind vor uns blieb entspannt. Während einige Passagiere schrien, kommentierte es: „Guck mal, Papa, der Fernsehturm, da!“ Der Papa starrte blass vor sich hin wie alle. „Kinder sind wie Tiere“, sagte ich aus Aufregung, „wenn sie keine Angst haben, gibt es nichts zu befürchten.“ Meine Freundin lachte laut, und ich lachte mit – es könnte ja das letzte Mal sein.

Später an der Bushaltestelle am Flughafen treffen wir zufällig meine Nachbarin mit ihrem Freund. „Mensch, wir sehen uns nie im Treppenhaus, aber hier!“, ruft sie begeistert. Sie erzählt von Teneriffa und wir von unserem kleinen Abenteuer in der Luft. „Dann … Frohes neues noch, Nachbarin!“, sagt sie und umarmt mich.

Wir nehmen zusammen den Bus nach Rudow, dann die U7. Unser Wagen ist leer, eine Ruhe, die wir in unserer Zeit in Madrid ein bisschen verlernt hatten. An der Boddinstraße laufen meine Nachbarin und ihr Freund vor uns her, schauen ab und zu zurück, ob wir noch da sind. Wir lächeln uns zu. Die Straße ist so leer wie die U-Bahn. Alles ist nass, kalt und windig. Überall liegen noch Müllreste der Silvesternacht, Weihnachtsbäume und die üblichen nassen Matratzen. Als ich sage: „Es ist schön, zurück zu sein“, schaut mich meine Freundin skeptisch an. Ich meine es aber ernst. Neukölln vermisse ich immer. Noch mehr nach so einer Landung.

Luciana Ferrando

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