: Mehr Schnitzel direkt vom Acker
Niedersachsen hat den Anbau von Hülsenfrüchten in zehn Jahren vervierfacht. Die Feldfrüchte sind eine Alternative zum problematischen Soja-Import aus Übersee
Von Gernot Knödler
Kein genmanipuliertes Soja aus abgeholzten Regenwäldern in Lateinamerika – stattdessen eiweißreiche Erbsen, Lupinen und Ackerbohnen aus Niedersachsen. Die Bemühungen der Landesregierung, den Anbau heimischer Hülsenfrüchte voranzutreiben, haben im Wortsinne Früchte getragen: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anbaufläche im Land vervierfacht. Bis zum selbst gesteckten Ziel des Bundeslandwirtschaftsministerium, ein Zehntel der Ackerfläche bis 2030 mit den sogenannten Leguminosen zu bebauen, ist der Weg jedoch noch weit.
Die Zahlen wurden auf einer Tagung des Ackerbauzentrums Niedersachsen, der Landwirtschaftskammer und des bundesweiten Leguminosen-Netzwerks Ende vergangener Woche auf der Burg Warberg im Landkreis Helmstedt bekannt. 140 Praktiker, Forscher und Politiker tauschten sich dort über die Chancen und Probleme beim Anbau der Hülsenfrüchte aus.
Agrarministerin Miriam Staudte verwies auf die Eiweißstrategie des Landes, die ihr Vor-Vorgänger Christian Meyer (beide Grüne) ins Werk gesetzt hat, mit dem Ziel den Anbau und die Vermarktung heimischer Eiweißpflanzen zu verbessern, die sich selbst wiederum auf eine Initiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums stützt.
„Wir haben in Niedersachsen die besten Voraussetzungen, um Soja, Ackerbohne und Erbsen in Fruchtfolgen zu etablieren“, sagte Staudte. „Davon können alle profitieren: die Landwirtschaft genauso wie die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Lebensmitteleunternehmen und nicht zuletzt unsere Umwelt.“
Die eiweißreichen Feldfrüchte spielen zum einen in der Tiermast eine Rolle und zum anderen beim Ersatz für Fleisch und Milch bei veganer Ernährung. Soja ist dabei wegen seines besonders hohen Eiweißgehalts von 40 Prozent und dessen guter Verträglichkeit besonders interessant. Allerdings wird es derzeit zum allergrößten Teil importiert – vor allem aus Lateinamerika und den USA.
Auf dem wiederum größten Teil der Anbauflächen in diesen Ländern werden genveränderte Sorten angebaut, weswegen der heimische Anbau von Soja oder alternativen Luminosen besonders für den ökologischen Landbau von Bedeutung ist.
In Südamerika führt das Geschäft, das sich mit dem Soja-Anbau machen lässt, zu Konflikten um Landrechte. Regenwälder und auch die Savanne werden gerodet – mit fatalen Folgen für das Weltklima. Unsachgemäß verwendete Pestizide vergiften die Bevölkerung.
Eiweiß – als Riegel, als Pulver, als Steak – ist der große Renner beim Thema Ernährung. Trotzdem spielen die besonders eiweißreichen Hülsenfrüchte auf den deutschen Äckern kaum eine Rolle.
Bundesweit wurden nach den aktuellsten Zahlen 2023 auf 1,7 Prozent der Ackerfläche Eiweißpflanzen angebaut, in Schleswig-Holstein 2024 auf 2,1 Prozent des Ackerlandes, in Niedersachsen 2024 auf 1,1 Prozent.
In Niedersachsen wurden im vergangenen Jahr einschließlich der Saatguterzeugung auf knapp 21.000 von 1,9 Millionen Hektar Ackerfläche Hülsenfrüchte angebaut, 2014 waren es noch 4.000 Hektar. 2024 wuchsen auf 8.000 Hektar Ackerbohnen, auf 6.500 Hektar Erbsen, auf 1.900 Hektar Soja und auf 1.500 Hektar Süßlupinen.
Dem stehen die Vorteile gegenüber, die der Anbau von Erbsen, Bohnen, Lupinen und Klee in Deutschland mit sich bringt. Ein Wechsel von Hülsenfrüchten und Getreide erschwert es Krankheitserregern, sich im Acker festzusetzen. Das verzweigte Wurzelwerk der Hülsenfrüchte lockert den Boden und wird nach dem Absterben der Pflanzen zu Humus.
Außerdem brauchen Hülsenfrüchte keinen Stickstoffdünger. Mit Hilfe von Knöllchenbakterien an den Wurzeln sind sie in der Lage, Stickstoff aus der Luft zu binden. In der Regel binden sie sogar mehr als sie brauchen, sodass sie den Weizen düngen könnten, der vielleicht als nächstes auf dem Acker angebaut wird.
Der ehemalige Landwirtschafts- und heutige Umweltminister Meyer nannte die Leguminosen deshalb einmal „Juwelen für den Ackerbau“. Jeder Hektar einheimisch angebauter Leguminosen spare im Jahr zwischen 200 und 500 Liter Erdöl, weil auf den Stickstoffdünger verzichtet werden könne, für dessen Herstellung ja fossile Brennstoffe gebraucht werden.
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