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Archiv-Artikel

Reden mit gespaltener Stimme

SPRACHMELODIE John Cage und die Folgen: Der amerikanische Komponist Robert Ashley „las“ beim Festival MaerzMusik

„Kontext“ ist gewiss kein schönes Wort, die Sache selbst kann aber oft sehr hilfreich sein. So auch bei der aktuellen MaerzMusik: Das Festival feiert dieses Jahr den 100. Geburtstag des Komponisten John Cage mit einem Schwerpunkt. Dazu gehören neben den Kompositionen des 1992 gestorbenen US-Amerikaners auch Werke, die in seiner Nachfolge entstanden. In diese Reihe gehört etwa die Musik von Robert Ashley, den man am Freitag im Haus der Berliner Festspiele erleben konnte.

Cage steht für das große Reinemachen in der Moderne, die lässige Geste, sich hinzustellen und zu sagen: Alles ist Musik, sogar die Stille, und der Zufall ist ein viel besseres Gestaltungsmittel als jede Kompositionstechnik. Mit dieser ästhetischen Zäsur im Hinterkopf ließ sich bestens nachvollziehen, warum sich Robert Ashley bei seiner Performance auf zwei Mikrofone, seine Stimme und ein paar Texte beschränkte, um daraus vorzulesen.

„Answers and Other Songs“ nannte sich Ashleys Beitrag zur

„Sonic Arts (Re)Union“, die am Freitagabend begangen wurde: Ashley bildete von 1966 bis 1976 mit seinen Kollegen David Behrman, Alvin Lucier und Gordon Mumma die „Sonic Arts Union“, eine Künstlergruppe, die sich auf experimentelle Live-Elektronik spezialisiert hatte. Für diesen Abend hatte man die vier Experimentatoren jetzt wieder in einem Programm vereint.

Ashley wurde unter anderem bekannt mit Fernsehopern, die er eigens für das Medium schuf und in denen gesprochene Worte, meist von ihm selbst vorgetragen, eine zentrale Rolle spielen. Wie auch in den am Freitag dargebotenen „Answers“, in denen neben dem rezitierten Text lediglich diskrete elektronische Verfremdungen als Stilmittel hinzukamen: Beim Lesen wechselte Ashley zwischen zwei Mikrofonen, sodass man zusätzlich zu seiner normal verstärkten, angenehm warmen Lesestimme ein seltsames Säuseln hören konnte, eine Art gespaltenes Ich als Kommentator seiner selbst. Passenderweise ging es im ersten Monolog um Schizophrenie.

Dass sich Ashley als Interpret zum Bestandteil seiner Musik macht, koppelt die Werke stärker an ihre Aufführung, was einerseits den Performance-Charakter unterstreicht, andererseits eine Nähe zum Pop erkennen lässt, wo die Stimme des Künstlers untrennbar zum Werk gehört. Mit dem Unterschied, dass Ashley ein echtes Massenpublikum wohl nicht wird erreichen können. Im gut besuchten Haus der Berliner Festspiele gab es jedenfalls freundlichen Applaus.

TIM CASPAR BOEHME

■ MaerzMusik, www.berlinerfestspiele.de