piwik no script img

Archiv-Artikel

Rechte Läden geraten ins Visier

Die Berliner Antifa demonstriert heute gegen den Verkauf rechter Musik und Lifestyle-Produkte. Die Veranstalter erwarten bis zu 800 linke Jugendliche bei ihrem Marsch durch den Berliner Nordosten

VON TILMANN STEFFEN

Donnerstagmorgen musste der Verkauf von Nazischals und Rechtsrock-CDs in Prenzlauer Berg verspätet beginnen. Am Szeneladen „Harakiri“ an der Bornholmer Straße hatten im Schutz der Nacht Widersacher von Ladeninhaber Henry Harm die Haus- und Ladentürschlösser mit einem Kitt verklebt.

„Das ist Sandkastenniveau“, nörgelte Harm mit selbstmitleidiger Miene, nachdem er sich wieder in seinen Verkaufsraum hineingepult hatte. Doch der böswillig verklebte Kitt war vielleicht nur die Ouvertüre einer Kampagne, mit der linke Gruppen es ab jetzt den Naziläden schwer machen wollen. Unter dem Slogan „We will rock you“ fordert die Berliner Antifa, unterstützt von Bündnissen zwischen Greifswald, Magdeburg und Dresden, „Weg mit Naziläden, rechter Musik und rechtem Lifestyle“.

Zum Auftakt startet heute um 16 Uhr am Weißenseer Antonplatz die Demonstration „Gegen Naziläden in unseren Kiezen“ nach Prenzlauer Berg. Markus Armand, der Sprecher der Organisatoren, erwartet bis zu 800 Nazigegner. Er hofft auf eine „breite Bürgerbewegung“, die mit kritischer Aufmerksamkeit für extremistischen Klamottenkult und Neonazimusik die „Unauffälligkeit dieser rechten Marken beseitigt“. Denn die nordöstlichen Stadtteile haben ein Problem: Hinter der bürgerlichen Fassade von Pankow, im toleranten Prenzlauer Berg und dem unauffälligen Weißensee gedeiht ein Geflecht neonazibrauner Haltungen, Treffs und Klamottenläden.

Nach nur wenigen hundert Metern soll die Demonstration am „Nordic Thunder“ vorbeiführen. Dessen Metalljalousie gibt erst um Mittag den Blick auf die Auslage mit Klamotten von „H8-Wear“, „Sport Frei“ oder „Pro Violence“ frei. Die Rechte an den Marken liegen allesamt bei Neonazis wie dem Hamburger Lars Georgi, der sein Geld mit einem Geflecht verschiedener Firmen verdient, unter anderem mit dem „Nordic Thunder“.

Doch auch im Alltag gewinnen Extremisten an Boden: Am Westufer des Weißen Sees säuft sich an warmen Tagen auffällig kurz rasiertes Jungvolk die Birne breit. Dass er kein Fladenbrot verkauft, begründet der am Antonplatz ansässige Gemüsehändler so: „Das ha’m wir nich, wir sind ein deutscher Laden hier.“ Allein an zehn Plätzen in Pankow droht Farbigen oder Schwulen Gefahr von rechts, analysierte schon 2003 das Zentrum Demokratische Kultur. Darunter sind der Thälmannpark in Prenzlauer Berg, der Weiße See in Weißensee und der S-Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg.

Kommen die Nazigegner zahlreich, könnte es eng werden an der Bornholmer Straße, wo Harm zwischen „Angies Zimmervermietung“ und einem Zeitungs- und Tabakladen in seinem „Harakiri“-Schaufenster allerlei Neonazistaffage anpreist. Auf Schals prangt in weißen Lettern „Nationaler Widerstand“. Ständerweise gibt es Klamotten der nur vermeintlich unpolitischen Marke „Lonsdale“, deren Mittel-Buchstaben „nsda“ Harms Kundschaft aus Nazisympathie schon gern mal unter der geöffneten Jacke hervorschauen lässt.

Mit einem Schal für wenige Euro outen sich „Harakiri“-Käufer als Fan von „Lunikoff-Veschwörung“, der Nachfolgeband der verbotenen „Landser“, wie Harm unbefangen erläutert.

Teurer sind schon die wadenhohen Schnürstiefel oder die „Thor Steinar“-Shirts mit dem Runenlogo. Die von Rechtsextremisten vertriebene Markenkledage muss seit 2004 mit abgeänderten Signet bestickt werden, weil das bisherige von den Reichsführerschulen des Dritten Reichs entlehnt war und verboten ist. Somit „ist alles legal“, beteuert Harm. Die Haltung seiner Kunden ist ihm gleich: „Wenn der Skinhead zum Bäcker geht, fragt der Bäcker auch nicht, an wen er die Brötchen verkauft.“