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Spannungen in SüdasienAfghanistan greift Pakistan an

Erst bombardiert Pakistan in Afghanistan pakistanische Taliban. Dann schlägt Afghanistans Taliban-Regierung zurück. Die Beziehungen erreichen einen Tiefstand.

Ein pakistanischer Soldat (r) und Kämpfer der Taliban stehen Wache an einem Grenzübergang zwischen Pakistan und Afghanistan Foto: AP/dpa

Mumbai taz | Zum Jahresende kommt es zu Spannungen zwischen den südasiatischen Nachbarn Afghanistan und Pakistan, die ohnehin belasteten Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt. Am 24. Dezember führte die pakistanische Luftwaffe Angriffe in der afghanischen Provinz Paktika durch. Es sollten mutmaßliche Verstecke der pakistanischen Taliban (Tehrik-e-Taliban Pakistan – TTP) getroffen werden. Doch statt militärischer Erfolge folgten zivile Opfer und eine weitere Eskalation.

Laut TTP-Sprecher Mohammad Khurasani kamen bei den Luftangriffen etwa 50 Menschen ums Leben, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder. Dabei soll es sich hauptsächlich um Flüchtlinge aus der grenznahen pakistanischen Bergregion Waziristan handeln, äußerte sich die afghanische Seite.

Die Taliban-Regierung in Kabul reagierte harsch: „Das Islamische Emirat Afghanistan betrachtet diesen barbarischen Akt als Verstoß gegen alle internationalen Grundsätze und als eindeutige Aggression und verurteilt ihn aufs Schärfste.“ Kabul betonte zudem, dass es sich bereits um die zweite Serie von Angriffen Pakistans auf afghanisches Gebiet in diesem Jahr handelte.

19 pakistanische Soldaten getötet

Nur wenige Tage nach dem Angriff folgte die Vergeltung. Am 28. Dezember griffen afghanische Taliban-Einheiten mehrere Ziele in Pakistan an. Laut dem afghanischen Nachrichtensender Tolonews wurden am Samstag bei Zusammenstößen entlang der 2.450 Kilometer langen Grenze zwischen beiden Ländern 19 pakistanische Soldaten und fünf afghanische Zi­vi­lis­t:in­nen getötet. Das Verteidigungsministerium in Kabul erklärte, man habe „Zentren und Verstecke bösartiger Elemente“ ins Visier genommen.

Die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan 2021 war in Islamabad zunächst als strategischer Erfolg gefeiert worden. Doch die Machtübernahme der afghanischen Taliban stärkte auch die mit ihr ideologisch verwandten pakistanischen Taliban und ihre Angriffe in Pakistan nahmen zu.

Pakistanische Regierungsvertreter werfen der afghanischen Taliban-Regierung Untätigkeit bei der Verhinderung grenzüberschreitender Aktivitäten von Extremisten vor. Ihre Forderung, die TTP in die Schranken zu weisen, scheint unbeantwortet geblieben zu sein. Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif sagte nun, eine rote Linie sei überschritten, man werde die Aktivitäten der TTP von afghanischem Boden aus nicht akzeptieren.

Afghanistan und Pakistan teilen komplizierte Geschichte

Die Vereinten Nationen beschreiben die TTP als „mit al-Qaida assoziiert“. Das Bündnis militanter Gruppen, das Schätzungen zufolge zwischen 30.000 und 35.000 Mitglieder hat, gilt als eine der größten Bedrohungen für Pakistan. Die TTP ist aber nicht die einzige Herausforderung für Islamabad. Auch andere Organisationen nutzen die Schwächen der Koalitionsregierung aus, insbesondere in den grenznahen Regionen.

Afghanistan und Pakistan teilen eine komplizierte Historie. Die „Durand-Linie“, wie die Staatsgrenze zwischen Afghanistan und Pakistan genannt wird, bleibt ein emotionales Streitthema. Kein afghanischer Staat hat die in der britischen Kolonial­zeit einseitig gezogene Grenze je offiziell anerkannt. Sie trennt Paschtunen auf beiden Seiten.

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