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Frösteln und Schwitzen

Sie haben in Bergwerken und Atomkraftwerken recherchiert: Die Kunstschaffenden der Ausstellung „Salz.Ton.Granit“ in der nGbK tauchen ein in Debatten um Nachhaltigkeit und Atomenergie

Ana Alenso, Johanngeorgenstadt Uranmine. Courtesy die Künstlerin Foto: nGbK

Von Tom Mustroph

Die Ausstellung „Salz. Ton. Granit“ in der nGbK arbeitet die toxischen wie die heilsversprechenden Komponenten der Atomwirtschaft auf. Dabei kann es Be­su­che­r*in­nen dort kalt und heiß zugleich werden. Frösteln kann vorkommen, weil beim Ausstellungsprojekt „Salz. Ton. Granit. Über nukleare Vergangenheiten und strahlende Zukünfte“, das auf Nachhaltigkeit setzt, die Heizung gedrosselt wird. „Wir wurden vom Programm ‚Zero‘ der Bundeskulturstiftung gefördert. Das beinhaltet strenge Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit“, erklärt Co-Kuratorin Julia Kurz der taz. Für die Künst­le­r*in­nen bedeutete das bei ihrer Recherche zum Beispiel, dass sie bei ausgedehnten Exkursionen in alte Uranabbau- und neue Endlagerregionen in Deutschland oder an den Standort des ungarischen Atomkraftwerks Paks teilweise nur langsam vorankamen wegen des Benutzens des öffentlichen Nahverkehrs und der mühsamen Suche nach Lade­infrastruktur für E-Autos im ländlichen Raum. Für die Ausstellung bedeutet es tiefere Temperaturen im Innenraum.

Dass trotzdem Hitze aufwallen dürfte, liegt an der Installation „Pech und Blende“. Ana Alenso stellt zwei Bohrhämmer, die ursprünglich zum Uranabbau im Erzgebirge eingesetzt wurden, in eine Art Kampfposition gegeneinander. Die Spitzen der Bohrhämmer wurden jeweils um Projektile erweitert, was auf die militärische Nutzung der Atomenergie hinweisen soll. Vor allem aber kann eine radioaktive Kontamination der Geräte nicht ausgeschlossen werden. „Sie wurden sorgfältig gesäubert und strahlenschutztechnisch beurteilt“, versichert Kurz. Anfassen oder gar bewegen sollte man die Apparate dennoch nicht, weshalb auch eine Schutzzone um die Installation eingerichtet wurde. So nah wie hier dürften die wenigsten Be­su­che­r*in­nen wissentlich radioaktiven Strahlungsquellen ausgesetzt gewesen sein. Alensos Installation fasst die brutale Kraft dieser Art von Energiegewinnung und die unsichtbaren und deshalb umso bedrohlicher wirkenden Gefahren der Technologie zusammen.

„Salz. Ton. Granit“ heißt die Ausstellung, weil ehemalige Bergwerke, in denen diese Materialien abgebaut wurden, derzeit die Hitliste bei der Endlagersuche für radioaktiven Abfall anführen. Objekte daraus haben es dann auch ganz physisch in die Räume der nGbK geschafft. Sonya Schönberger brachte schillernde Salzkristalle aus Morsleben mit, dem schon zu DDR-Zeiten genutzten Endlager für radioaktive Abfälle. In ihrer begleitenden Videoarbeit vertieft sie sich zudem auch in andere toxische Vergangenheitsschichten des alten Kalibergwerks: 1944 und 1945 mussten Zwangs­ar­bei­te­r*in­nen und KZ-Häftlinge dort Waffen und Munition für das NS-Regime herstellen.

Abstrakte Objekte aus Ton stammen von Csilla Nagy und Rita Süveges, gefertigt im Rahmen einer partizipativen Performance im ungarischen Dorf Boda. Die dortigen Tonsteinformationen werden derzeit auf ihre Eignung für ein Endlager für radioaktiven Abfall untersucht. Ein in vielen Grauschattierungen glänzender Bohrkern aus Granit liegt den Keramik-Objekten gegenüber und vervollständigt so das Dreieck der mineralischen Positionen.

So unterschiedlich wie die Materialien sind auch die Perspektiven. Viele der insgesamt neun Arbeiten betonen die toxischen Komponenten der Kernkraft und die Proteste dagegen – Anna Witt reinszeniert in ihrer Videoarbeit „Tanz auf dem Vulkan“ etwa Widerstandsaktionen gegen Wasserwerfer. Aber es wird auch eine andere Sicht eingebracht: so interviewte Dominika Trapp Arbeitende im ungarischen AKW. Einer der Ingenieure offenbarte dabei etwa eine von ihm selbst so bezeichnete „obsessive Bindung“ an das Werk.

Dass in Ungarn aber auch gegen Atomkraft protestiert wurde, ist Fotos auf Infowänden, die das kuratorische Team um Kurz in der Ausstellung platzierte, zu entnehmen. Die Infowände bestehen übrigens aus wiederverwendbaren Strohplatten – der nachhaltigen Alternative zu den in Ausstellungs- und Messebau gängigen Gipskartonplatten, wie Kurz betont.

1944 und 1945 mussten KZ-Häftlinge dort Waffen und Munition für das NS-Regime herstellen

„Salz. Ton. Granit“ ist eine komplexe Ausstellung. Das liegt an den unterschiedlichen Perspektiven. Die atompolitischen Positionen Deutschlands und Ungarns etwa könnten kaum gegensätzlicher sein. Hierzulande wurden 2023 die letzten Atommeiler abgeschaltet, während Ungarn das in den 1980er Jahren in Betrieb genommene AKW Paks– mit russischer Unterstützung – um weitere Blöcke erweitern will.

Die Bemühungen um Nachhaltigkeit in der gesamten Projektphase stellen eine weitere Ebene dar. Und angesichts des notwendigen Ausstiegs aus der fossilen Energiewirtschaft und des Verzichts auf russische Lieferungen rückt die Atomkraft weltweit wieder stärker in den Fokus. „Salz. Ton. Granit“ nimmt keine Entscheidungen ab. Die Ausstellung fächert aber die Problemstellungen auf.

„Salz.Ton.Granit“ ist noch bis 9. Februar 2025 in der nGbK am Alexanderplatz zu sehen. Geöffnet ist von Di.–So. 12–18 Uhr, freitags bis 20 Uhr

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