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Was „Dekolonialisierung: Ost“ heute bedeutet

Die taz Panter Stiftung dokumentiert und unterstützt Dekolonialisierungsprozesse in den postsowjetischen Staaten

Von Tigran Petrosyan

In einer Zeit von Kriegen und globaler Unsicherheit denken Teile dieser Welt immer mehr über koloniale Vergangenheit und die Folgen imperialer Machtstrukturen nach. Wir möchten uns mit der Frage auseinandersetzen, was Dekolonialisierung heute bedeutet – jedoch nicht im Globalen Süden, sondern vielmehr im Osten Europas und in den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Die taz Panter Stiftung startet im Jahr 2025 das Projekt „Dekolonialisierung: Ost“, mit dem Ziel der kritischen Auseinandersetzung mit dem postsowjetischen Raum. Was bedeutet das? Und warum ist es so wichtig, sich gerade jetzt mit den Auswirkungen des sowjetisch-russischen Imperialismus auseinanderzusetzen?

Die zentrale Frage hierbei lautet, wie sich die Gesellschaften in den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion ihrem eigenen Erbe stellen. In den Jahren nach der russischen Invasion in die Ukraine ist ein intensiver Diskurs über die Hinterlassenschaften des sowjetisch-russischen Imperialismus in Gang gekommen, der sich nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigt, sondern auch mit den aktuellen politischen und kulturellen Beziehungen zu Russland. Diesen Diskurs möchte die taz Panter Stiftung begleiten – und gemeinsam mit Jour­na­lis­t:in­nen und Fo­to­gra­f:in­nen dokumentieren, wie sich dieser in verschiedenen postsowjetischen Ländern entfaltet.

Ein besonders spannendes Beispiel für diesen Wandel bieten die baltischen Staaten, die in der Dekolonialisierung bereits weit fortgeschritten sind. Estland, Lettland und Litauen haben sich bereits intensiv mit ihrer sowjetischen Vergangenheit auseinandergesetzt. Sie setzen klare politische sowie symbolische Zeichen, um sich von der früheren wie gegenwärtigen russischen Einflussnahme zu distanzieren. Doch wie sieht es in anderen Ländern des postsowjetischen Raums aus?

In der Ukraine etwa werden monumentale sowjetische Symbole zunehmend aus dem öffentlichen Raum entfernt. Dies ist nicht nur ein Akt der Erinnerungspolitik, sondern auch ein klarer Schritt hin zur Entkolonialisierung der kollektiven Erinnerung und Identität. Gleichzeitig entstehen in anderen Ländern neue Denkmäler und Kunst- und Medienprojekte, die gegen die prosowjetischen Demonstrationen ankämpfen und gegen alle Versuche rebellieren, die nationale Identität zu unterdrücken – ein symbolischer Widerstand gegen die russische Hegemonie.

In Georgien beispielsweise zeigt sich der Widerstand gegen russische Einflussnahme oft in Form von Streetart und politischen Protesten. Die urbane Kunst wird zu einem wichtigen Medium, um sich gegen die russische Besatzungsgeschichte zu positionieren und die eigene nationale Identität zu stärken.

Auch in der Republik Moldau, wo der russische Einfluss teilweise noch immer besonders stark spürbar ist, entstehen neue Denkmäler, die sich mit der Dekolonialisierung und der Emanzipation der moldauischen Bevölkerung von sowjetischen Symbolen und Ideologien beschäftigen.

Doch nicht alle sind gleichermaßen bereit, sich von ihrer sowjetischen Vergangenheit zu lösen. In vielen postsowjetischen Gesellschaften weckt die 70-jährige Herrschaft der Sowjetunion auch nostalgische Gefühle und eine gewisse Sehnsucht nach den vermeintlich stabilen Zeiten der „Bruderschaft“ und des „sozialistischen Patriotismus“. Diese nostalgischen Tendenzen stellen eine Herausforderung für die Dekolonialisierung dar, denn sie rufen in vielen Fällen ein Gefühl der Solidarität und des kollektiven Gedächtnisses hervor. Das unterdrückt die komplexe, oft repressiv erlebte Realität. Besonders in Ländern wie Russland und Belarus, aber auch in Teilen der Gesellschaften anderer postsowjetischer Staaten gibt es immer noch eine romantisierte Vorstellung der sowjetischen Ära.

Die taz Panter Stiftung möchte diesen spannenden und vielschichtigen Diskurs nach Berlin bringen und diese Auseinandersetzungen und Perspektiven in die deutsche Öffentlichkeit holen. Gemeinsam mit Jour­na­lis­t:in­nen und Fo­to­gra­f:in­nen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wollen wir einen Raum schaffen, in dem Debatten zur Entkolonialisierung – auch aus einer historischen, kulturellen und politischen Perspektive – weitergeführt werden können.

Wir wollen auch eine gemeinsame Reflexion und ein gemeinsames Lernen anregen und fördern, insbesondere im Bereich des medialen Umganges miteinander.

Die 70-jährige Herrschaft der Sowjetunion weckt auch nostalgische Gefühle und eine gewisse Sehnsucht

Sind wir in der Lage, dieses Projekt zu realisieren? Ja – das sage ich ganz klar und unmissverständlich: Denn wir haben sowohl die Erfahrung und Kompetenz, als auch starke Netzwerke zu Jour­na­lis­t:in­nen und Fo­to­gra­f:in­nen vor Ort, die diesen Prozess intensiv begleiten werden.

Wir benötigen aber Ihre Hilfe und Ihre Solidarität, um dieses Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Unterstützen Sie uns, damit wir gemeinsam erfolgreich sein können!

Ihre Unterstützung, liebe Spen­der:in­nen, bringt uns der Verwirklichung dieses wichtigen Vorhabens ein gutes Stück näher. Wir rechnen fest mit Ihnen!

Der Autor hat im Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften mit dem Fokus auf Medien promoviert. Er ist als Reporter in Osteuropa unterwegs und leitet die Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung.

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