großraumdisco: Die Bremer Shakespeare Company beschenkt sich zum Geburtstag selbst
Vor 40 Jahren unternahm die Bremer Shakespeare Company eine kleine Theaterrevolution. Dafür wäre es vielleicht mal an der Zeit. Nach der Party …
Roter Teppich, Häppchen, Sekt – Premierenstimmung. Allerdings ist der Schauplatz weder Cannes noch der Broadway, sondern das Theater am Leibnizplatz in der Bremer Neustadt, die sich seit einigen Jahren zum In-Viertel mausert, aber eben immer noch die Neustadt ist: auf der „anderen Seite“ der Weser, während Stadttheater, Kunsthalle und das städtische Konzerthaus Glocke auf der Altstadtseite residieren.
In einer ehemaligen Schulaula spielt die Bremer Shakespeare Company vor allem die Werke von William Shakespeare, aber auch Aktuelles und Stückentwicklungen, wie zuletzt in Zusammenarbeit mit dem Stadttheater Bremerhaven „Die Welt zwischen den Nachrichten“ von Judith Kuckart. Am Dienstag wurde die Bühne nun ausnahmsweise zur Kinoleinwand.
Die Shakespeare Company wäre nicht sie selbst, gäbe es nicht ein bisschen Jux und Dollerei drumherum: Mitglieder des Ensembles weisen Plätze an und nach einem Werbeblock aus Zusammenschnitten aktueller Inszenierungen verkauft Schauspieler Peter Lüchinger Eiskonfekt. Dann gibt es „Shakespeare 500“ zu sehen. Die eigentliche Premiere des Films war schon im Sommer im Bremer Bürgerpark, aber das Wetter war da nicht nach Glamour.
Dass es diesen Film, mit dem sich das Theater zum 40. Geburtstag gratuliert, überhaupt gibt, ist ein kleines Wunder. Als sich die Gruppe gründete, erzählen die Gründungsmitglieder Chris Alexander und Rainer Iwersen im Film, hätte sich niemand vorstellen können, dass es sie so lange geben würde. Bis heute als selbstverwaltetes Kollektiv, was wohl das noch größere Wunder ist. Schließlich sagt man basisdemokratischen Kollektiven nach, dass sie gar nicht funktionieren können. Dass das auch mal mit Gebrüll einhergeht, kommt im Film durchaus zur Sprache. Allerdings bleibt die Vergangenheit in zweierlei Hinsicht ein bisschen unterbelichtet: Zum einen gab Radio Bremen aus rechtlichen Gründen keine Bewegtbilder alter Inszenierungen frei – und andere gibt es offenbar nicht. Zum anderen werden die lange Jahre dauernden internen Auseinandersetzungen, die 2001 in der Trennung der Company von ihren Gründungsmitgliedern Norbert Kentrup und Dagmar Papula kulminierten, mit keinem Wort erwähnt.
Immerhin sorgt eine andere Altlast für Lacher: Einer der Schauspieler berichtet, er habe beim Getränkekauf in der Theaterkneipe mitgeteilt bekommen, die Kolleginnen und Kollegen hätten insgesamt einen Deckel von 6.000 Euro zusammengetrunken, der möge doch bitte bezahlt werden.
Die Bremer Shakespeare Company wurde 1984 als selbstverwaltetes Kollektiv gegründet. Seit 1989 residiert die Company im Theater am Leibnizplatz, das sie für Gastspiele in Deutschland und darüber hinaus regelmäßig verlässt.
„Shakespeare 500“ mag eine Dokumentation sein, aber keine investigative Recherche. Kein Wunder: Company-Vorstandsmitglied Renate Heitmann konzipierte den Film mit Ulf Nawrot, der für das Theater die grafische Gestaltung besorgt, und Regisseur Fabian Nolte.
Probenszenen, Gespräche mit dem Ensemble, Einblicke in Teamsitzungen – es ist das Selbstporträt eines Theaters. Das Manko der fehlenden Bilddokumente aus früheren Jahren wird mit zauberhaften Animationen aufgefangen, die an die legendären Zwischenspiele aus „Monty Python’s Flying Circus“ erinnern.
Derzeit befindet sich die Shakespeare Company mitten im Generationswechsel. Ex-Vorstandsmitglied Lüchinger ist schon in Rente, Renate Heitmann, seine langjährige Kollegin in der Geschäftsführung und umtriebige Netzwerkerin im Bremer Kulturleben, folgt in der nächsten Spielzeit. Insofern ließe sich „Shakespeare 500“ auch als Beschwörung der kreativen Potenz des Theaters verstehen. Die Zeiten, als Theaterfans durch die Republik anreisten, sind schon länger vorbei. In den 80ern war es eine Sensation, wie in Bremen Shakespeare gespielt wurde, ohne „vierte Wand“, zotig und mit aktuellen politischen Kommentaren gespickt. Mittlerweile gehört das zum Standardrepertoire der Stadttheater. Neue Experimente sind gefragt. Dass die Antworten noch gefunden werden müssen, klingt in „Shakespeare 500“ durchaus an. Aber ein bisschen Selbstfeier hat sich die Bremer Shakespeare Company verdient. Andreas Schnell
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