: Heiliger Bimbam
Mit fünf Eröffnungsgottesdiensten beginnt heute der 30. Evangelische Kirchentag in Hannover. Durch die anstehende Bundestagswahl hat der Christentreff eine neue Dimension bekommen
aus Hannover Kai Schöneberg
Zum Auftakt drohen dem 30. Evangelischen Kirchentag in Hannover erst mal teuflische Staulawinen. Wenn heute per Sonderzug, in 900 Bussen und in unzähligen Autos insgesamt etwa 300.000 Besucher zum Eröffnungsabend des 30. Evangelischen Kirchentages strömen, wird die City bereits ab dem Mittag weiträumig abgesperrt. Die Polizei hat angekündigt, rigoros abzuschleppen.
An fünf Orten starten ab 18 Uhr die Eröffnungsgottesdienste, der zentrale am Opernplatz. Dort hält die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann als Gastgeberin des Kirchentags die Predigt. Die Grüßonkels mimen per Ansprache im Anschluss Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Christian Wulff. An der Marktkirche spricht zur selben Zeit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.
Wegen der angekündigten Bundestagswahl hat der größte Protestantentreff Deutschlands, der Kirchentag, eine unerwartete politische Dimension bekommen. Einerseits haben Hans-Dietrich Genscher und Otto Schily wegen des beginnenden Wahlkampfs bereits abgesagt. Andererseits spricht Kanzler Schröder am Freitag bei einer Diskussion mit der kenianischen Friedensnobelpreisträgerin Wangari M. Maathai zum Thema „Welt-Partnerschaft“. Die Parteichefs von CDU und SPD, Angela Merkel und Franz Müntefering, diskutieren über Europa, die Ober-Grüne Claudia Roth mit der Schauspielerin Renan Demirkan über die „Heimat Deutschland“. Bei den Veranstaltern sieht man den Aufmarsch der Polit-Strategen mit gemischten Gefühlen: „Der Kirchentag möchte Sachfragen diskutieren und keine Wahlkampfveranstaltung sein“, sagt Sprecher Rüdiger Runge.
Das außerkirchliche Promi-Aufgebot lässt sich fast endlos fortsetzen. Unter anderem dabei: Verdi-Chef Frank Bsirske, James Last, Heiner Geißler, Herbert Grönemeyer – und die Chefredakteurin der tageszeitung, Bascha Mika. Sie debattiert am Samstag um 11 Uhr im Alten Rathaus über die Rolle des Erinnerns in der Medien-Kultur.
Auch die ostfriesische Landessuperintendentin kommt. Oda-Gebine Holze-Stäblein hat nicht nur einen Namen, den man singen könnte, sie hat auch alle Besucher der heutigen Eröffnungsveranstaltung gebeten, eine Packung Stoff-Taschentücher mitzubringen. Geweint wird erst am Sonntag, wenn der Kirchentag endet. Die Tempos würden bei den Eröffnungsgottesdiensten zu einer „symbolischen Überraschungsgeste“ benötigt, sagt Holze-Stäblein.
Nach den Gottesdiensten können sich die Gäste an Veranstaltungen auf 13 Bühnen und „Aktionsflächen“ unter dem Motto „Lass es leuchten“ bespaßen lassen. 450 Gruppen aus Norddeutschland bieten in der Stadt Programm, Fressalien und Getränke nicht zu knapp an.
Außerdem geplant: „Rundgesänge“ und „Lichtermeere“, zudem ein großes Glockenkonzert. Die Australierin Catherine Milliken hat das 25-minütige Werk namens „Von der Freundschaft“ eigens für den Kirchentag komponiert. 30 Glocken von sechs verschiedenen Kirchen sollen um 22.30 Uhr erklingen. Heiliger Bimbam.
Die taz wird auf dem Kirchentag mit einem eigenen Stand vertreten sein: Auf dem Messegelände in der Halle 16, Standort A 12