: Wir wissen, was wir an euch haben
Bonn ist für die Kölner die beschauliche Rettung vor ihrem gesteigerten Drang zur Urbanität
Aus Köln Petra Schellen
Wie der Kölner über Bonn denkt? Meistens gar nicht: So wichtig wie der „Erzfeind“ Düsseldorf ist es nicht, und außerdem hat der Kölner genug mit den Unzulänglichkeiten der eigenen Stadtväter zu tun, über die er mal spottet, mal wütet. Denn wie soll die Stadt „große Schwester“, gar Vorbild sein mit ihren Ewigkeitsbaustellen wie Opernhaussanierung (seit 2012) und „Archäologischer Zone/Jüdischem Museum“ (seit 2007). Bemerkenswert auch die auf sieben (!) Jahre angesetzte Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, geschlossen und hinter Bauzäunen versteckt seit 2023. Man hofft, dass die Arbeiten schon begonnen haben. Vom 2009 bei U-Bahn-Bauarbeiten eingestürzten Stadtarchiv, bis heute eine schändliche Baugrube, ganz zu schweigen.
Und all das, wo man in Köln sowieso bei jedem Bauvorhaben damit rechnen muss, auf irgendeinen antiken römischen Juno-Tempel zu stoßen, woraufhin die Sache erst mal lange ruht.
Als sei das nicht genug, scheut Köln keine Mühe, es den Leuten noch ungemütlicher zu machen als ohnehin. Mit der Ansage, man wolle „urbaner“ werden, werden auch in der Innenstadt noch die letzten Ruheorte zerstört, die bis vor Kurzem in einschlägigen Touristenführern unter „Oasen“ firmierten. Der Kirchplatz vor St. Gereon etwa durfte laut Stadtrat nicht beschaulich bleiben, nein. Da musste ein Restaurant samt Außengastronomie her, außerdem ein Hotel, sodass dort jetzt Lärm und Autoverkehr herrschen.
Zur Erholung nach Bonn
Wohin wendet sich also, wer einen ruhigen Einkaufsbummel abseits der stetig überfüllten Kölner Schildergasse und Hohestraße möchte?
Richtig, der fährt nach Bonn, ins per Zug und Straßenbahn gut erreichbare Nachbarstädtchen, wo man durch weitläufigen Rheinauen spaziert statt auf Kölns rummeliger Rad-, Scooter-, Vielleicht-auch-Fußgänger-Rheinpromenade. In Bonns Zentrum wartet dann eine übersichtliche Fußgängerzone. Und das gelbe Uni-Gemäuer wirkt auf den stadtästhetisch nicht verwöhnten Kölner wie das Versprechen süddeutsch-weinseliger Gemütlichkeit – Rheinland-Pfalz ist ja wirklich nicht weit.
Auch wer eine Rhein-Schiffstour plant, wendet sich nicht nordwärts gen Leverkusen und Duisburg, sondern nach Süden. Dort träfe man zunächst auf den Industriestandort Köln-Wesseling, also besteigt man das Schiff tunlichst erst in Bonn. Denn von da an wird’s malerisch mit dem Siebengebirge und der unvergleichlichen Loreley. Altkanzler Adenauer wohnte in Rhöndorf, Willy Brandt in Unkel, beide an Rhein und Siebengebirge: Die Altväter der Bonner Republik wussten, was sie an der Gegend hatten.
Köln dagegen? Nein, das ist nicht die große Schwester, die alles besser kann. Es wirkt eher wie eine Möchtegerngroßstadt mit Provinzgeschmack, laut und oft beschämend starr: Aus „Tradition“ hat Köln immer noch nicht die Pferdequal im Karnevalszug abgeschafft, Bonn dagegen sehr wohl. Wenn man es also recht bedenkt, hat Köln allen Grund, Bonn zu beneiden. Und Bonn keinen Anlass, der großen Schwester nachzueifern.
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