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„Der militärische Druck wird helfen, Sicherheit herzustellen“

Nir Yavin, Kibbutz Kfar Szold: „Ich lebe nur wenige Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Wenn die Sirenen ertönen, haben wir 15 Sekunden, um zum Schutzraum zu laufen. Wenn wir draußen unterwegs sind, legen wir uns einfach auf den Boden, selbst 100 Meter zum Schutzraum sind dann zu weit. Wir sind eines der nördlichsten Dörfer, die nach dem 7. Oktober nicht evakuiert wurden. Normalerweise leben hier 500 oder 600 Einwohner, im Moment sind es allerdings nur noch rund 300.

Vor einigen Monaten ist eine Rakete in Kfar Szold selbst eingeschlagen, sie hat einen Stall für Hühnerzucht getroffen, zum Glück wurde der direkt zuvor gereinigt, sodass die Hühner nicht drin waren. Nach dem 7. Oktober fühlten wir uns alle hier vom Staat alleingelassen. Schon einen Tag nach dem Angriff der Hamas wurde uns zwar geraten, das Gebiet zu verlassen, aber wir mussten alles selbst organisieren und haben keine Unterstützung vom Staat erhalten. Jetzt, da das israelische Militär seine Angriffe verschärft, habe ich das Gefühl, dass die Regierung anfängt, sich um uns zu kümmern.

Im Moment hören wir die Kriegskulisse die ganze Zeit. Das laute Knallen des Iron Dome, Raketeneinschläge. Die Angriffe im Libanon. Ich glaube auf jeden Fall, dass der erhöhte militärische Druck dazu beitragen wird, Sicherheit herzustellen. Vor allem auch für die evakuierten Kibbuzim und Dörfer am Rande der Grenze. Und ich weiß, dass es länger als ein oder zwei Tage dauern könnte, im Zweifel auch länger als bis Ende 2024.

Dabei glaube ich, dass es zwischen Israel und dem Libanon keinen wirklichen Konflikt gibt. Der Konflikt spielt sich zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hisbollah ab. Zwar toleriert der Libanon die Hisbollah, und ich bin mir sicher, es wäre schwer für den Libanon, sie rauszuwerfen – aber wenn das gelänge, könnten wir in Frieden miteinander leben.

Natürlich denke ich darüber nach, ob ich mit meiner Familie Kfar Szold verlassen sollte, sowohl aus sicherheitstechnischen Gründen als auch aus innenpolitischen. Aber am Ende bin ich hier zu Hause. Und ich glaube daran, dass wir hier wieder in Frieden werden leben können, inmitten dieser wunderschönen Natur.“ Protokoll: Judith Poppe

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