Kommentar von Anne Fromm zum Wahlausgang
: Im Osten fast nur Tristes. Aber eben nur fast

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen muss man erst einmal verdauen: Etwa ein Drittel der Menschen hat eine rechtsextreme Partei gewählt. Man könnte nun einwenden: In Thüringen leben zwei Millionen Menschen, in Sachsen vier Millionen. Das ist ein Drittel der Einwohner von Nordrhein-Westfalen. Aber der reine Blick auf die Größe der beiden Länder wird der Bedeutung dieser Wahl nicht gerecht.

Natürlich sind die Erfolge der Rechtsradikalen kein rein ostdeutsches Spezifikum. Sicher lassen sich einige Prozentpunkte des AfD-Erfolgs mit dem Osten erklären – Transformationsgeschichte, Diktaturerfahrung, dazu ist viel geschrieben worden. Aber der Rechtsruck passiert global. In Frankreich haben die Rechtsradikalen nur deshalb nicht gesiegt, weil ihnen ein breites linkes Bündnis gegen­überstand, Italien wird von einer Postfaschistin regiert, in den USA spricht Trump wieder vor jubelnden Massen.

Auch im Osten war der Rechtsruck schon vorher da. Die Kommunalwahlen im Frühjahr haben in fast alle Stadträte und Kreistage große AfD-Frak­tio­nen gespült. Die greifen seither von unten nach der Macht, mit ganz konkreten Folgen im Alltag.

Die Linke hat dem derzeit kaum etwas entgegenzusetzen. Der bisher einzige linke Ministerpräsident ist abgewählt – und das, obwohl Bodo Ramelow vor der Wahl der beliebteste Politiker in Thüringen war. Trotzdem wird seine Partei nur viertstärkste Kraft, in Sachsen kommt sie nur über Direktmandate in den Landtag. Sah es Anfang des Jahres noch so aus, als sei zumindest die gesellschaftliche Linke so stark wie nie, sind die Wahlergebnisse ein heftiger Schlag.

Was folgt daraus? Politisch wichtiger denn je: Die Brandmauer muss stehen. Das mag naiv klingen angesichts der Beispiele, bei denen vor allem CDU und AfD im Kommunalen bereits zusammenarbeiten. Katja Wolf, BSW-Spitzenkandidatin in Thüringen, hat angekündigt, AfD-Anträgen zuzustimmen, wenn diese vernünftig seien. „Mehr Pragmatismus, weniger Ideologie“, nennt sie das. Nur geht es eben nicht um Ideologie, es geht um einen demokratischen Grundkonsens.

Wer mit der AfD paktiert, der normalisiert sie. Mehr als 50 Prozent der CDU-Wähler*innen in Thüringen und Sachsen sagen von sich, sie haben die CDU nur gewählt, damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt. Diese Wäh­le­r*in­nen und alle, die für eine demokratische Partei gestimmt haben, haben ein Recht darauf, dass De­mo­kra­t*in­nen den Fa­schis­t*in­nen nicht zu (mehr) Macht verhelfen.

Und zweitens brauchen jene Rückenwind, die für eine demokratische, plurale, friedliche und offene Gesellschaft kämpfen. Die taz hat in den vergangenen Monaten besonders die ostdeutsche ­Zivilgesellschaft beleuchtet. In Erfurt und Chemnitz haben wir Kongresse mit den Engagierten aus den Bundesländern veranstaltet, die Panter Foren. In Cottbus machen wir das in knapp zwei Wochen. Mit dabei sind Menschen, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, Leute, die mit Jugendlichen im ländlichen Raum arbeiten, die sich um Geflüchtete kümmern, in der sächsischen Provinz einen CSD organisieren, Omas gegen Rechts.

Was wir von ihnen gelernt haben, ist: Ja, die AfD ist stark im Osten, aber sie ist nicht unwidersprochen. Die, die sich ihr entgegenstellen, brauchen viel: Sie brauchen Geld, ein Demokratiefördergesetz, das ihnen Finanzierungssicherheit gibt. Sie brauchen Schutz und das Rückgrat von demokratischen Politiker*innen, die ihr Überleben sichern. Das zu fordern ist alternativlos.