Vietnams neuer Machthaber: Parteichef mit krimineller Energie
Tô Lâm ist seit Mai Staatspräsident, davor war er Sicherheitsminister. Jetzt wurde er KP-Generalsekretär und zu Vietnams mächtigstem Politiker.
Damit bekleidet der 67-jährige Tô Lâm bis zum Parteitag im Januar 2026 die beiden Ämter des Parteichefs der einzigen legalen Partei im Land und des Staatspräsidenten zusammen. Das ist ein Bruch des in Vietnam heiligen Prinzips der „kollektiven Führung“, nach dem diese wichtigen Ämter getrennt und zusammen mit denen des Ministerpräsidenten und Vorsitzes der Nationalversammlung quotiert nach regionaler Herkunft vergeben werden. Auch Tô Lâms Vorgänger Trong hatte schon zweimal beide Ämter gleichzeitig bekleidet, aber nur für jeweils kurze Zeit.
Tô Lâm hat einiges an der für ihn typischen kriminellen Energie aufbringen müssen, um an beide Ämter zu kommen: Das Amt des Staatspräsidenten machte er als damaliger Minister für öffentliche Sicherheit erst frei, indem er dem Amtsinhaber für Korruptionshandlungen seiner Mitarbeiter verantwortlich machte. Und zum Interimsparteichef ließ er sich erstmal nur „vorübergehend“ küren, weil sein greiser Vorgänger seine Kraft für seine Gesundheit brauchte. Doch der war da mutmaßlich bereits tot.
Tô Lâm gilt wie sein Vorgänger als Hardliner bei Menschenrechten. Als langjähriger Minister für öffentliche Sicherheit hat er sowohl Menschenrechtler als auch parteiinterne Widersacher in einem vorher nicht gekannten Ausmaß ausschalten und zu langjährigen Haftstrafen verurteilen lassen.
Gericht: Tô Lâm gab Entführung aus Berlin in Auftrag
Laut einem Urteil des Berliner Kammergerichtes gilt Tô Lâm als Auftraggeber der Entführung des abtrünnigen Wirtschaftsfunktionärs Trịnh Xuân Thanh aus Berlin nach Hanoi 2017. In seine Amtszeit als Sicherheitsminister und damit Befehlshaber über den Geheimdienst fallen aber auch Entführungen von Publizisten und Menschenrechtlern aus Thailand und Kambodscha in vietnamesische Haftanstalten. Tô Lâm ähnelt in vielen Aspekten Russlands Machthaber Wladimir Putin, der wie er im Geheimdienst sozialisiert wurde.
Außen- und wirtschaftspolitisch verfügt Tô Lâm nicht über die Kompetenz und auch nicht über das Interesse seines Vorgängers. Hinzu kommt, dass Personen aus dem Führungsapparat mit diesen Kompetenzen in den letzten Jahren unter oft dubiosen Korruptionsvorwürfen ausgeschaltet und durch Leute ersetzt wurden, die im Sicherheitsapparat oder in ideologischen Funktionen groß geworden sind. Im Außen- und Außenwirtschaftsministerium, wo er erst letztes Jahr unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung kompetente Diplomaten ausschaltete, sind ihm viele Fachleute spinnefeind.
Der Kampf gegen den Klimawandel und „all die Dinge, die europäischen Politikern wichtig sind“, interessierten ihn nicht, sagt Bill Hayton, Associate Fellow beim Asien-Pazifik-Programm vom Chatham House, gegenüber der Deutschen Welle. „Was Tô Lâm und seinen Anhängern im vietnamesischen Sicherheitsapparat wichtig ist, ist die Aufrechterhaltung des Machtmonopols der Kommunistischen Partei.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies