Konzertclub kämpft gegen die Pleite: Land unter am Elbufer

Der Hamburger Konzertschuppen Hafenklang braucht Geld und startet ein Crowdfunding. Mittelfristig seien Politik und Eventfirmen in der Verantwortung.

Mehrfach ausgezeichnet für sein tolles Konzert-Programm: Hafenklang am Hamburger Fischmarkt Foto: Frank Schwichtenberg/Wikimedia Commons

HAMBURG taz | Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten: Ende der 1990er wurden am Altonaer Nordufer der Elbe moderne Büro- und Gewerbegebäude hochgezogen, die sogenannte „Perlenkette“. Auch das Gebäude, in dem sich der Live-Club Hafenklang befindet, sollte einem Hotelneubau weichen. 1890 war das ehemalige Stallgebäude für Straßenbahnpferde erbaut worden, seit den 1970ern diente es als Musikstudio und Künstlertreff, Udo Lindenberg und Einstürzende Neubauten nahmen dort bereits auf.

Durch massiven Protest wurde der Bau 1997 gerettet, dieses Jahr feiert das Hafenklang als Live-Club sein 25-Jähriges: eine dunkle Halle im Erdgeschoss, darüber der freundlichere „Goldene Salon“ sowie Büros.

Seit Corona hat auch dieser Club massive Geldprobleme: Vieles sei anders geworden, sagt Thomas Lengefeld vom Betreiber:innen-Team. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres sei ein Defizit von 55.000 Euro entstanden. „Obwohl wir eigentlich nichts anderes machen, keine Werbung, kein Booking, sonst irgendetwas.“

Kurzfristig will das Kollektiv den Weiterbetrieb mittels Crowdfunding sichern, mittelfristig seien aber die Politik gefordert und die Branchenriesen, die kleine Konzertveranstalter zunehmend kaputt machten.

Ausgezeichnetes Programm

Mehrfach wurde der Laden für innovatives Programm ausgezeichnet, auch zum „Live-Club des Jahres“ erklärt. „Wir sind eine Institution, sagt man“, heißt es auf der Hafenklang-Internetseite, und: „ebenso nah an der Elbe wie am Puls der Zeit“. Wichtiger als die Einnahmen war den Be­trei­be­r:in­nen immer, Künst­le­r:in­nen eine Bühne zu geben, die sie mögen – auch wenn eine später die große Hamburger Sporthalle ausverkaufende Band wie At the drive-in dann eben vor nur sieben Leuten spielte.

Dass es so aber nicht mehr funktioniert, sei schon länger klar, sagt Lengefeld: Seit dem Auslaufen der staatlichen Coronahilfen habe man rund 100.000 Euro in den Veranstaltungsbetrieb gesteckt. Das Problem betreffe die ganze Branche, liege vor allem am veränderten Freizeit- und Ausgehverhalten, sagt Lengefeld, der sich seit den 1990ern auch ums Booking kümmert.

Der Trend gehe zum Groß­event. „Da geben die Leute ihr ­schmaler gewordenes Budget aus. Die Kids sind über Spotify und Youtube sozialisiert und nicht mehr im Club.“ Auch die Getränkepreise in so einem Laden überforderten gerade Jüngere, die dann eben cornern, also draußen vor dem Kiosk feiern: In den vergangenen vier Jahren sei der Getränkeumsatz im Hafenklang um ein Drittel eingebrochen, sagt Lengefeld.

Zugleich sei die Inflation und damit die Produktionskosten gestiegen. „Bei einem Konzert brauchen wir 130 bis 150 Leute, um überhaupt schwarze Zahlen zu ­schreiben.“ Ein inhabergeführter Club könne auf Veranstaltungen verzichten, die nicht einträglich genug sind – oder einfach Partys veranstalten, auf denen viel getrunken wird, die aber nicht viel kosten.

Es geht nicht nur ums Geldverdienen

Hinter dem Hafenklang stecke aber ein Kollektiv, dessen Anspruch eben nicht nur sei, Geld zu verdienen. So könne man junge Bands nicht leer ausgehen lassen, indem sich der Club etwa erst mal alle Einnahmen bis 600 Euro sichere, und die Künst­le­r:in­nen nur bekommen, was darüber hinaus noch in der Kasse landet.

Nun gehe es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass da etwas wegbreche. „Das versuchen wir der Politik gerade klarzumachen.“ Konzertbühnen wie das Hafenklang bräuchten eine verlässliche Förderung, findet Lengefeld, so wie Theater. Sonst seien anspruchsvolle Programme nicht mehr möglich. Das sähen auch alle ein, mit denen er bislang gesprochen habe. Aber in der Politik drehten sich die Mühlen langsam – „Bis dahin sind wir längst pleite“.

Das Crowdfunding sei dennoch nur eine vorübergehende Notlösung. Lengefeld setzt nicht nur auf Unterstützung seitens der Politik, sondern spricht auch die Riesen der Konzertbranche an. Etwa die Sponsoring-Abteilung von Live Nation, weltgrößte Eventfirma, Jahresumsatz 16,7 Milliarden Dollar, gegen die in den USA derzeit ein Kartellverfahren läuft.

Das Büro liegt 50 Meter entfernt vom Hafenklang in einem Glasloft am Elbhang. Dort habe er sich als Nachbar vorgestellt und dem Chef gesagt: „Ihr habt ein Imageproblem, wir haben ein Geldproblem, kommen wir da irgendwie zusammen?“ Es wurde gelacht, aber man kam ins Gespräch.

Auf die eigene Crowd ist Verlass

Aufgegeben hat das Hafenklang-Kollektiv noch lange nicht. „Wir sind nach wir vor sportlich und kämpferisch eingestellt“, sagt Lengefeld. Am Samstag aber ist erst mal die Altonaer Punkrockkneipe „Café Treibeis“ im Hafenklang zu Gast.

Auch der geht es seit Corona gar nicht gut. Acht Bands, die zu hören sind auf einem „Treibeis Soli Sampler“, der im April herauskam, spielen unten in der düsteren Hafenklang-Halle, oben gibt es Essen und Merchandising. Auf die eigene Crowd ist immer noch Verlass.

www.startnext.com/broke-but-dope-save-hafenklang

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