Linke Regierung droht mit rechter Sparpolitik

Großbritanniens neue Labour-Regierung entdeckt riesige Haushaltslöcher und will nun einsparen. Es geht aber vor allem um höhere Gehälter für Lehrer und Gesundheitspersonal

Politisches Dilemma: Labour-Premierminister Keir Starmer bei der parlamentarischen Fragestunde am Mittwoch, 24. Juli Foto: Jessica Taylor/reuters

Von Dominic Johnson

Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause und weniger als einen Monat nach ihrer Machtübernahme bereitet Großbritanniens neue Labour-Regierung das Land auf harte Sparmaßnahmen vor. In einer mit Spannung erwarteten Rede vor dem Unterhaus warf Finanzministerin Rachel Reeves am Montag nachmittag der konservativen Vorgängerregierung, eine „katastrophale“ Hinterlassenschaft bei den Staatsfinanzen vor – nämlich ungedeckte Ausgabenpläne in Höhe von 22 Milliarden Pfund (25 Milliarden Euro).

„Die Tories haben die britischen Finanzen in ihrem schlechtesten Zustand seit dem Zweiten Weltkrieg hinterlassen“, schrieb die regierende Labour-Partei vorab auf X (vormals Twitter). „Diese Labour-Regierung wird harte Entscheidungen treffen, um langfristige Lösungen zu finden.“

Schon direkt nach ihrem Wahlsieg am 4. Juli hatte Reeves­ eine Überprüfung der Staatsfinanzen angekündigt. Den nächsten regulären Staatshaushalt für 2025 wird sie erst am 30. Oktober vorlegen, aber einige Dinge können nicht so lange warten. Dringend sind Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst nach monatelangen Streiks. Unabhängige Schiedsstellen hatten vor den Wahlen Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent für die 1,5 Millionen Angestellten des staatlichen Gesundheitsdienstes und 450.000 Lehrkräfte an Schulen vorgeschlagen. Labour hatte sich verpflichtet, diese Empfehlungen vollumfänglich umzusetzen, was nach unabhängigen Schätzungen rund 10 Mil­liarden Pfund im Jahr kostet. Nun lautet der Vorwurf an die Konservativen, dafür kein Geld hinterlassen zu haben.

„Die vorige Regierung gab Geld aus, ohne an den nächsten Tag zu denken, weil sie wusste, dass jemand anders die Rechnung bezahlen muss“, sagte Finanzministerin Reeves am vergangenen Wochenende der Sunday Times. „Sie machten eine Zusage nach der anderen, ohne zu sagen, wo das Geld herkommt. Ich räume auf.“

Die konservative Opposition, allen voran der bisherige Finanzminister Jeremy Hunt, weisen diese Vorwürfe zurück und sagen, alle relevanten Zahlen hätten vor den Wahlen zur Verfügung gestanden. Im Wahlkampf hatte Labour zugesagt, keine Einkommensteuern, Sozialversicherungebeiträge oder Mehrwertsteuern zu erhöhen. Der damalige konservative Premierminister Rishi Sunak hatte Labour wiederholt vorgeworfen, in Wirklichkeit Steuererhöhungen zu planen. „Nachdem sie vor den Wahlen 50mal versprochen haben, keine Steuern zu erhöhen, brauchen sie jetzt einen Vorwand“, zitiert die Sunday Times Jeremy Hunt zu Reeves’ Ankündigungen.

Die Labour-Regierung hatte sich auch verpflichtet, die bestehende mittelfristige Haushaltsplanung der Konservativen beizubehalten. Die sieht bis zum Haushaltsjahr 2028/29 nur noch geringe Steigerungen der laufenden Staatsausgaben von inflationsbereinigt 1,2 Prozent pro Jahr vor. Explizit ausgenommen sind davon das staatliche Gesundheitswesen, die staatliche Finanzierung von Kinderbetreuung sowie Entwicklungshilfe und Verteidigung. Hier gelten höhere Ansätze.

Das bedeutet automatisch rea­le Kürzungen in anderen Bereichen, vor allem Justiz, innere Sicherheit und Pflege. „Angesichts der Zusagen Labours, öffentliche Dienstleistungen zu verbessern, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die neue Regierung diese Pläne einhalten kann“, heißt es dazu in einer Studie des renommierten „Institute for Government“. Wenn Labour sich doch daran halte, würde es die restriktivste Ausgaben­politik seit den harte Austeritätsjahren vor 2015 fahren.

„Die vorige Regie­rung gab Geld aus, ohne an den nächsten Tag zu denken“

Rachel Reeves, Finanzministerin

Das „Institute for Fiscal Studies“ unter dem renommierten Ökonomen Paul Johnson hatte bereits beim letzten konservativen Staatshaushaltsentwurf im März vorausgesagt, die vorliegende Finanzplanung werde sich als undurchführbar erweisen, egal wer die Wahlen gewinne. Am Montag wies Johnson im BBC-Frühstücksfernsehen darauf hin, dass das von der neuen Finanzministerin Reeves identifizierte 20-Milliarden-Loch problemlos gestopft werden könne, wenn Labour die im März beschlossene Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen würde.

Stattdessen kündigte Reeves am Montag nachmittag Ausgabenkürzungen in Milliardenhöhe an. Die allgemeine Heizkostenbeihilfe für Rentner wird auf Sozialhilfeempfänger beschränkt, diverse Infrastrukturprojekte werden abgesagt.

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