Vom Kritiker zum Klon

Mit Senator J. D. Vance als Vize will Donald Trump die US-Wahl im Herbst gewinnen. Der 39-Jährige nannte den Ex-Präsidenten einst „Amerikas Hitler“. Heute ist er größter Fan

„Ich habe ihn noch nie gemocht“: Der frühere Trump-Gegner J. D. Vance (M.) will nächster US-Vizepräsident werden Foto: Nam Y. Huh/ap

Aus Washington Hansjürgen Mai

Das Rätselraten, wer bei der US-Wahl im November an der Seite von Donald Trump als Vizepräsident antreten wird, hat ein Ende: Zum Auftakt des republikanischen Nominierungsparteitags am Montag in Milwaukee gab der frühere US-Präsident bekannt, dass er den Senator James David, kurz: J. D., Vance ausgewählt habe. Die Delegierten des Parteitags stimmten wenig später für den 39-jährigen Mann aus Ohio.

Trump nannte Vance in einem Post auf seiner Plattform Truth Social als „am besten für die Position geeignet“. Im Interview mit dem rechten TV-Sender Fox News erklärte Vance, dass Trump ihn erst kurz vor der offiziellen Bekanntgabe angerufen habe. Der Präsidentschaftsbewerber habe auch mit seinem siebenjährigen Sohn gesprochen. „Es war ein Moment, den ich niemals vergessen werde.“ Am Mittwoch will Vance auf dem Parteitag im Bundesstaat Wisconsin eine Rede halten.

Wer ist J. D. Vance? Ein Mann, der in den vergangenen Jahren eine persönliche und politische Transformation vollzog; aus einem ehemaligen Trump-Gegner wurde einer seiner größten Unterstützer. Vance gehört zu dessen loyalsten Anhängern im US-Senat und verbreitet auch Trumps Lügen über die angeblich gestohlene Wahl 2020.

Vance, der nach seiner Zeit im Militär (er war unter anderem im Irak im Einsatz) Jura studiert und als Finanzmanager gearbeitet hatte, machte sich als Buchautor einen Namen. Mit „Hillbilly Elegy“ gelang Vance im Jahr 2016 ein Bestseller. In dem Buch geht es um seine Familie und die Kultur der Appalachen, einer Region im Osten der USA, die in den vergangenen Jahrzehnten schwere wirtschaftliche Zeiten durchlaufen hatte.

Zur selben Zeit gab Vance auch mehrere kritische Aussagen bezüglich Trump von sich. „Ich bin ein Trump-Gegner, ich habe ihn noch nie gemocht“, sagte er 2016 in einem Interview. Er fügte hinzu, dass Trump ein „fürchterlicher Kandidat“ sei. Hinzu kamen öffentlich gewordene Privatnachrichten, in denen Vance einen ehemaligen Mitbewohner fragte, ob Trump ein „zynisches Arschloch“ wie der in Ungnade gefallene Ex-Präsident Richard Nixon sei – oder sogar noch schlimmer, nämlich „Amerikas Hitler“.

Ein offensichtlicher Sinneswandel folgte. Vance erklärte in den vergangenen Jahren mehrfach, dass er seine früheren Aussagen über Trump bereue. Die Beziehung zu Trump verbesserte sich aber erst 2022, als Vance für den US-Senat kandidierte. Er verstand, dass viele Menschen in Ohio den Ex-Präsidenten unterstützen. In dem Bundesstaat hatte Trump sowohl 2016 als auch 2020 gewonnen. Die Senatswahl gewann Vance schließlich auch dank Trumps Unterstützung.

Mit der Wahl des Vizepräsidenten versuchen Kandidaten oftmals, eigene Schwächen zu kaschieren oder zusätzliche Wählergruppen zu erreichen. Die Ernennung von Mike Pence zum Vizepräsidentschaftskandidaten vor dem Wahlsieg 2016 diente Trump etwa dazu, christlich-konservative Wähler im Land anzusprechen.

Mit J. D. Vance hat Trump dagegen jemanden ausgewählt, der dieselben Wähler anzieht wie er selbst. Vance ist Teil der neuen Rechten, also populistische Politiker mit konservativen Werten. Er ist für breit angelegte Einfuhrzölle, gegen militärische Einmischungen der USA, vor allem in der Ukraine, und gegen Kürzungen des amerikanischen Sozialversicherungssystems.

Beim Thema Abtreibung hat Vance, der selbst dagegen ist, seine Ansichten etwas gelockert. Nachdem mehrere US-Bundesstaaten, darunter Ohio, in den vergangenen Jahren für ein gesetzliches Recht auf Abtreibung gestimmt hatten, erklärte er gegenüber CNN, dass Republikaner akzeptieren müssten, dass die Menschen kein „landesweites Abtreibungsverbot wollen“.

Vance, der mit seiner indischstämmigen Frau drei Kinder hat, schreckt auch nicht davor zurück, in „Kulturkampf“-Fragen seinen rechten Standpunkt zu vertreten. Er hat unter anderem einen Gesetzentwurf zum Verbot von Geschlechtsumwandlungen für Jugendliche erlassen sowie einen Entwurf zur Abschaffung von Diversity-Programmen in der US-Bundesregierung – Positionen, die auch Trump und andere Politiker der MAGA-Bewegung (Make America Great Again) vertreten.

Der voraussichtliche Kandidat der Demokraten, Amts­inhaber Joe Biden, kritisierte die Personalie seines Konkurrenten. Gegenüber Journalisten erklärte er, dass J. D. Vance in seinen politischen Ansichten „ein Klon von Trump“ sei. Er sehe keinen Unterschied.