Wahlen zur Nationalversammlung: Was in Frankreich passiert
Nach dem ersten Wahlgang schreitet Frankreich am Sonntag wieder zur Urne. Wie geht es weiter? Drei Fragen, drei Antworten.
Was passierte im ersten Wahlgang?
Bei der Wahl zur französischen Nationalversammlung konnte der rechtsextreme Rassemblement National (RN) fast die Hälfte der Wahlkreise für sich gewinnen. 297 von 577 gingen an die Partei von Frontfrau Marine Le Pen. In mehr als 300 Wahlkreisen qualifizierten sich drei Kandidat*innen für den zweiten Wahlgang am 7. Juli. Um die Chancen der RN-Kandidat*innen zu verringern, verzichteten 218 Drittplazierte anderer Parteien darauf, an der zweiten Runde teilzunehmen. Fraglich ist aber, ob das Kalkül aufgeht.
Im Wahlkampf hatte Macron das linke Wahlbündnis Nouveau Front Populaire noch auf eine Stufe mit dem Rassemblement National gestellt und die linkspopulistische Partei La France Insoumise unter anderem als antidemokratisch bezeichnet. Ob sich jetzt genug Anhänger*innen der Macron-Partei finden, die den RN auf jeden Fall verhindern und in ihrem Wahlkreis das Linksbündnis wählen, ist ungewiss. Ebenso, ob ausreichend Wähler*innen des Nouveau Front Populaire die bei vielen verhasste Macron-Partei wählen.
Was kann Macron dann noch machen?
Bislang war Präsident Emmanuel Macrons Partei Renaissance die stärkste Fraktion und stellte den Premierminister. Nun kann es sein, dass Macron dem RN den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss. Von seinem Premier Gabriel Attal würde er sich dann verabschieden müssen.
Ex-Parteichefin Le Pen zufolge soll der RN auch ohne absolute Mehrheit die Regierung stellen. Anders hatte sich zuvor der aktuelle Parteichef Jordan Bardella geäußert. Er hatte angekündigt, nur Premierminister werden zu wollen, wenn seine Partei die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen könne. Macron, dessen Amtszeit noch bis 2027 dauert, kann die Nationalversammlung frühestens in einem Jahr wieder auflösen.
Als Staatspräsident hat Macron weitreichende Befugnisse, etwa als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. In gewissem Umfang kann er über Militäreinsätze entscheiden. Er verhandelt internationale Verträge, darf drei Richter*innen des Verfassungsgerichts benennen und Beschlüsse dort auf Konformität prüfen lassen.
Wie funktioniert „Cohabitation“?
„Cohabitation“ nennt man in Frankreich die Zwangsgemeinschaft zwischen Präsident*in und Regierungschef*in aus unterschiedlichen politischen Lagern.
Etwa beim Gesetzgebungsprozess hätte Macron in einer solchen Konstellation nicht mehr viel zu melden. Bevor er verabschiedete Gesetze im Amtsblatt unterzeichnet, kann er lediglich bremsen, indem er eine erneute Beratung einfordert. Als Gegenspieler der Regierung kann bei der Gesetzgebung allerdings der derzeit konservative Senat wirken, die zweite Kammer des Parlaments. Gesetzentwürfe werden in einem Pendelverfahren zwischen Senat und Nationalversammlung abgestimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!