Versagen der Ermittlungsbehörden Kenias: Serienmord befeuert Stimmung

Gerade erst hat das Militär in Kenia Massenproteste niedergeschlagen. Nun erschüttert ein Serienmord an Dutzenden Frauen das Land.

Mehrere Männer ziehen einen Leichensack aus einer Müllkippe.

Freiwillige bergen Leichensäcke aus einer Müllgrube in einem Slum nahe der kenianischen Hauptstadt Nairobi Foto: Monicah Mwangi/reuters

KAMPALA taz | Tausende Menschen stehen schockiert am Rande eines Steinbruchs. In dem gewaltigen Loch in einem der Armenviertel von Kenias Hauptstadt Nairobi schwimmen tonnenweise Abfälle. Männer seilen sich ab, balancieren auf schwimmenden Flößen, um einige Müllsäcke herauszufischen. Was sie darin finden, gleicht einem Horrorfilm: Es sind Säcke voller Leichenteile. Insgesamt neun Leichen wurden in den vergangenen Tagen aus dieser Müllhalde im Armenviertel Mukuru südlich der Millionenmetropole geborgen. Doch noch immer suchen Freiwillige nach weiteren Säcken.

Kenias Polizei meldete am Montag, sie habe in einer nahegelegenen Bar einen mutmaßlichen Serienmörder festgenommen, der dort Fußball schaute. Der 33-Jährige habe gestanden, 42 Frauen ermordet zu haben, darunter seine eigene Ehefrau. Die Leichen habe er in der Müllgrube im Steinbruch entsorgt. Sein Haus befinde sich in der unmittelbaren Nachbarschaft, so Mohamed Amin, Chef der Kriminalpolizei.

Seit die ersten Leichen am Freitag entdeckt wurden, befindet sich Kenia in einem Schockzustand. Ohnehin ist das Land seit Wochen von Unruhen geplagt. Bei Massenprotesten starben 23 Menschen durch Kugeln oder andere Geschosse. Das Militär hatte eingegriffen, um die Proteste gewaltsam aufzulösen. Noch immer gelten Hunderte Demonstranten als vermisst, Angehörige fürchten, dass sie von Sicherheitskräften verhaftet oder gar getötet wurden. Polizeichef Japhet Koome musste am Freitag seinen Posten räumen. Am Tag zuvor hatte Kenias Präsident William Ruto fast das ganze Kabinett gefeuert.

Vor diesem Hintergrund haben die Leichenfunde die Stimmung weiter angeheizt. Die unabhängige Aufsichtsbehörde über die Polizei (IPOA) hatte am Freitag angekündigt, zu untersuchen, ob Polizisten einer Polizeistation neben dem Steinbruch Gefangene getötet und deren Leichen entsorgt haben. Kenias neu ernannter Polizeichef Douglas Kanja versicherte, die Ermittlungen so „transparent und unabhängig wie möglich“ zu gestalten. Er scheint zu wissen: Das Vertrauen in die Sicherheitskräfte ist zerstört.

Totalversagen der Ermittlungsbehörden

Die Kriminalitätsrate in Kenia ist eine der höchsten in Ostafrika. Bereits zu Beginn des Jahres hatte es wegen der hohen Zahl an unaufgeklärten Mordfällen an Frauen Proteste gegeben. Ein Bündnis aus Menschenrechts- und Frauengruppen fordert von der Regierung, Femizide gesetzlich als Verbrechen anzuerkennen und zu ahnden. Im vergangenen Jahren waren an Kenias Küste zahlreiche Massengräber mit insgesamt über 600 Leichen entdeckt worden. Dort hatte Sektenführer Paul Mackenzie seinen Anhängern befohlen, sich zu Tode zu hungern, darunter zahlreiche Kinder. Auch in diesem Fall zeigte sich das totale Versagen der Ermittlungsbehörden.

Kenias Präsident Ruto versucht nun einen Spagat, um die Lage im Land unter Kontrolle zu bringen. Er selbst hatte im Wahlkampf 2022 versprochen, den Armen das Leben zu erleichtern. Frisch ins Amt gewählt, musste er einsehen, dass Kenia in einer Schuldenfalle steckt. Wie so viele Länder Afrikas muss die Regierung fast 70 Prozent des Staatshaushaltes für die Tilgung von Krediten einplanen. Für Gesundheit, Bildung, Infrastruktur bleibt kaum etwas übrig.

Als dann im Juni dieses Jahres im Parlament der neue Staatshaushalt debattiert wurde, standen darin zahlreiche Steuererhöhungen. Kenias Jugend organisierte sich über soziale Medien, auch mittels künstlicher Intelligenz, die ungebildeten Kenianern einfach zu verstehen half, was die Steuererhöhung für sie konkret bedeuten würde.

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