CDU und Linke vereint gegen Wohnungsbau

Im geplanten Hamburger Stadtteil Oberbillwerder wollen SPD und Grüne Wohnraum für 15.000 Menschen schaffen. Die finale Entscheidung darüber rückt nun näher. Nun schießt sich die Opposition auf das Projekt ein

Bislang noch ein großer Acker: Hamburgs geplanter Stadtteil Oberbillwerder Foto: Christian Ohde/Imago

Von André Zuschlag

Ist der Wahlkampf eröffnet? Die Hamburger Bürgerschaftswahl im März 2025 ist zwar noch ein Dreivierteljahr hin, doch die Opposition scheint das von SPD und Grünen geplante Vorhaben gefunden zu haben, das sie nun verstärkt attackieren will: Seit Anfang des Monats liegen die Planungsunterlagen für Oberbillwerder aus, das größte anstehende Hamburger Stadtentwicklungsprojekt mit Wohnraum für rund 15.000 Menschen. Und seither schießen CDU und Linke vereint dagegen. Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering lehnt sich schon weit aus dem Fenster: Mit der CDU werde es dieses Großprojekt nach der Hamburg-Wahl im kommenden März nicht mehr geben. „Wir werden Oberbillwerder beerdigen“, verspricht er. Dabei taugen die Argumente der Opposition nur begrenzt.

Eine am Dienstag veröffentlichte Antwort des Senats auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Stephan Jersch zeigt, dass die Baupreise auch für die geplanten Wohnungen in Oberbillwerder extrem hoch liegen. „Der Senat geht derzeit von über 4.400 Euro Baukosten pro Quadratmeter aus“, sagt Jersch. Das sei eine Steigerung von rund 65 Prozent gegenüber den ersten Planungen vor acht Jahren. Damit sei nicht mehr erklärbar, wie der unumstritten dringend benötigte günstige Wohnraum entstehen könne. „Das Projekt Oberbillwerder muss gestoppt werden – besser heute als morgen“, fordert Jersch deshalb.

Bislang ist Oberbillwerder eine große landwirtschaftlich genutzte Fläche entlang der S-Bahn-Linie von Hamburg nach Bergedorf. Hier soll bis Ende der 2040er-Jahre Hamburgs 105. Stadtteil entstehen. Die Idee dazu liegt schon einige Jahrzehnte herum, ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts konkretisierte der rot-grüne Senat das Vorhaben. Jersch bemängelt, dass dem Senat aber bisher noch keine Zusagen zum Wohnungsbau vorliegen. Er vergleicht es mit einer Gewerbefläche in der Nähe, für die vor einigen Jahren ein Landschaftsschutzgebiet vernichtet wurde und für die immer noch keine Nutzung gefunden wurde. Was nun erneut in Oberbillwerder geschieht, sei also gar eine „vorauseilende Umweltvernichtung“. Der Senat erklärt hingegen, dass noch gar keine Zusagen vorliegen können, weil bislang auch noch keine Grundstücke für den Wohnungsbau ausgeschrieben wurden. Hinzu würde die übliche Vorgabe an die Immobilienwirtschaft, mindestens ein Drittel sozialen und damit preislich gedeckelten Wohnraum zu schaffen, auch hier gelten.

Auf die Linken-Kritik aufgesprungen ist nun aber auch der Landesverbands- und Fraktionschef der CDU, der im kommenden März als Bürgermeisterkandidat antreten will. Vor Ort, in der Bergedorfer Bezirkspolitik, gebe es keine Mehrheit für das Vorhaben, auch würde die Dimension des geplanten Stadtteils nicht zum dörflich geprägten Bergedorf passen, sagte Thering nun dem Hamburger Abendblatt.

Hamburgs Bevölkerung wächst seit Jahren beständig. Und auch wenn die tatsächliche Ein­woh­ne­r:in­nen­zahl vor drei Wochen nach der bundesweiten Zensus-Auswertung auf 1,81 Millionen leicht nach unten korrigiert wurde, ist nach einer Berechnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung weiter davon auszugehen, dass im Laufe der 2040er-Jahre die Zwei-Millionen-Marke geknackt wird. Da der Senat seit einigen Jahren regelmäßig daran scheitert, sein selbst gestecktes Ziel von 10.000 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr zu erreichen, bekommt Oberbillwerder mit etwa 7.000 geplanten Wohnungen eine besondere Bedeutung.

Thering dagegen glaubt, die nötigen Wohnungen könnten durch Nachverdichtung geschaffen werden. Er wolle vor allem auf Wohnungsbau entlang der Magistralen setzen, also Neubauten entlang der Hamburger Hauptverkehrsstraßen – ein Konzept, das der rot-grüne Senat allerdings bereits seit sieben Jahren verfolgt. „Zudem müssen Bestandsgebäude in geeigneter Lage um ein bis zwei Stockwerke aufgestockt werden oder auch Neubauten entsprechend höher genehmigt werden“, sagt Thering.

Mit auf der grünen Wiese erbauten Großsiedlungen hat Hamburg schlechte Erfahrungen gemacht: Im 20. Jahrhundert errichtete Siedlungen wie am Osdorfer Born, in Mümmelmannsberg oder in Steilshoop gelten heute städtebaulich als Negativbeispiele.

Keine reine Schlafsiedlung soll Oberbillwerder hingegen werden, sondern auch Büro- und Gewerbeflächen für 4.000 bis 5.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Mit 1.500 Arbeitsplätzen rechnet der Senat aktuell schon durch die Verlagerung eines Campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW).

Vorbildlich soll Oberbillwerder auch durch den „weitgehenden Verzicht von ruhendem Verkehr im öffentlichen Straßenraum“ werden. Ziel ist zwar kein autofreier Stadtteil, aber immerhin, „das Auto in Hamburgs 105. Stadtteil möglichst überflüssig zu machen“.

Dass dafür in Hamburg noch viel Potenzial schlummert, bestätigten in den vergangenen Jahren auch schon Stadt­entwicklungsforscher:innen. Zugleich beklagt die Hamburger Wohnbauwirtschaft ähnlich lang, dass die Nachverdichtung immer schwieriger werde. Und das führe dazu, dass Nachverdichtung meist auch teurer ist als das Bauen auf der grünen Wiese.

Der Zeitpunkt zur öffentlichen Auslage der Planungsunterlagen kommt der Opposition durchaus passend: Eigentlich sollten die schon längst ausgelegt worden sein, doch nachdem das zuständige Bezirksamt Bergedorf auf Verfahrensfehler aufmerksam gemacht wurde, verzögerte es sich. Nun können Bürger:innen, Verbände und Initiativen noch bis September Kritik anmerken, auf die die Behörden bis Jahresende eingehen müssen. Eine abschließende Entscheidung des Senats stünde dann für Anfang kommenden Jahres an – mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs.