: Atommüll heute auf der Autobahn
Castorbehälter rollen von Sachsen nach Nordrhein-Westfalen. Der Widerstand gegen den Transport ins Zwischenlager Ahaus dürfte nach schwacher Dresdner Gegenwehr in Richtung Westen zunehmen. Kritik: „Gefährlich und finanziell unsinnig“
AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH
Wenn heute ab 10.00 Uhr der erste Castortransport vom ehemaligen Atomforschungszentrum Rossendorf bei Dresden ins westfälische Zwischenlager Ahaus fährt, dürfte der Widerstand geringer ausfallen als erwartet. Zum Protestzug versammelten sich am Freitag etwa 60 Transportgegner und zogen vor das sächsische Umweltministerium.
Klaus Gaber, ehemaliger Dresdner Umweltdezernent und grüner Landtagsabgeordneter, sagte, die Tradition der Proteste sei in Ostdeutschland noch nicht so ausgeprägt. Zugleich warnte er vor einem Paradigmenwechsel in der Atompolitik, der nach Ankündigung der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel einem Regierungswechsel folgen könnte. Greenpeace und die Thüringer Grünen wollen an der Autobahn A 4 legal und friedlich protestieren. Zur Unterstützung hat die noch amtierende nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) ihr Kommen angekündigt.
Wegen der zu erwartenden Proteste in Ahaus und der Transportrisiken über 600 Kilometer Autobahn hatte das Land Nordrhein-Westfalen vergeblich gegen die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz im Jahr 2004 geklagt. Schließlich einigte man sich mit Sachsen auf eine Bündelung der Transporte in drei Schüben zu je sechs Behältern.
Die Castoren enthalten insgesamt 951 abgebrannte Brennelemente aus dem 1957 eingerichteten ersten Forschungsreaktor russischen Typs in der DDR. Sachsen versucht seit 1996, den Atommüll aus dem nach 1991 stillgelegten Reaktor loszuwerden. Diesen Verschiebebahnhof kritisieren die Dresdner Initiative „Castorstopp“, Grüne und PDS. Die Initiative weist darauf hin, dass die Risiken nur verlagert werden und nach wie vor kein sicheres Endlager bereitstehe. „Ein Sicherheitsgewinn durch die Lagerung in Ahaus ist nicht nachgewiesen“, sagt der sächsische bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi.
In Ahaus und Rossendorf stehen baugleiche Lagerhallen. Das sächsische Umweltministerium hatte die Transporte auch mit ungeeigneten provisorischen Lagerungsbedingungen in Rossendorf begründet. Als „sicher und ohne Alternative“ bezeichnete Uta Windisch, umweltpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, die Transporte. PDS und Grüne kritisieren sie als „sicherheitstechnisch gefährlich und finanziell unsinnig“.
Weit intensivere Proteste und ein massiver Polizeieinsatz werden auf westdeutschen Streckenabschnitten und in Ahaus erwartet, wo der Transport laut Plan um ein Uhr in der Nacht zum Dienstag eintreffen soll. Voraussichtlich am 6. und am 13. Juni sollen die weiteren Transporte folgen.