die richtlinie des tages: Kicken ohne Gummikugeln
Die Reaktionen fielen so aus, wie so oft, wenn eine neue Regel aus Brüssel diskutiert wird. Es wurde Panik gemacht. Wer Schlagzeilen las wie „Geplantes Kunstrasenverbot bedroht Amateur-Fußball“ musste es mit der Angst zu tun bekommen. Ist Europa gerade dabei, das Ende von Deutschland als Fußballnation zu besiegeln? Bevor das später als REACH-Verordnung bekannt gewordene Regelwerk „zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe hinsichtlich synthetischer Polymermikropartikel“ (Nr. 1907/2006) Ende des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, waren die Befürchtungen in den deutschen Amateurklubs, deren Teams meist auf Kunstrasen spielen, jedenfalls groß.
Jene Kunststoffkügelchen, die meist aus alten Autoreifen hergestellt werden, sollen dafür sorgen, dass Spielerinnen und Spieler beim Tackling mit der Arschbacke auch mal ein paar Meter über den Rasen rutschen können, ohne sich allzu schwere Abschürfungen zuzuziehen. Die meisten Gemeinden und Klubs können mit der Verordnung jetzt, wo sie gilt, ganz gut leben.
Zum einen war schon seit 2019 klar, dass die EU gegen die Verbreitung von Mikroplastikpartikeln in der Umwelt etwas unternehmen möchte. Zum anderen muss das Gummigranulat erst in acht Jahren von den Sportanlagen verschwunden sein. Bis dahin müssen die meisten Plätze eh einer Sanierung unterzogen werden. Und für die Gummikügelchen gibt es längst auch schon Ersatzprodukte. Die einen probieren es mit Kork. Andere setzen auf Sand. Wieder andere warten noch ab, bis es eine umweltverträgliche Lösung gibt, die den Eigenschaften der Gummikügelchen irgendwie ähnlich sind.
Die grünen Kunstrasenhalme selbst sind von der Verordnung nicht betroffen. Und so sind die rund 24.000 Quadratmeter Plastikrasen, die in Berlin vor dem Brandenburger Tor verlegt worden sind, um der Fanmeile in der Hauptstadt ein grasgrünes EM-Outfit zu verpassen, vollkommen EU-konform.
Andreas Rüttenauer
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