Tritt Spaniens Sánchez zurück?

Der sozialistischer Regierungschef nimmt wegen Korruptionsvorwürfen gegen seine Ehefrau eine Auszeit

Aus Madrid Reiner Wandler

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez hat sich eine fünftägige Auszeit genommen und alle Termine gestrichen: „Ich muss innehalten und nachdenken“, heißt es in einem offenen Brief an die Bürger des Landes. Sánchez, dessen Koalition aus Sozialisten und Linksalternativen in Minderheit regiert, hatte ihn am Mittwochabend auf X veröffentlicht.

„Ich brauche dringend eine Antwort auf die Frage, ob es sich lohnt […], ob ich die Regierung weiterführen oder auf diese Ehre verzichten soll“, heißt es darin weiter. Am Montag werde er seine Entscheidung bekanntgeben.

Zuvor hatte ein Gericht die Ermittlungen gegen seine Ehefrau Begoña Gómez eingeleitet. Das Gericht erklärte die Untersuchungen zur Verschlusssache. Richter Juan Carlos Peinado am Amtsgericht Madrid ließ – ohne, wie sonst üblich, die Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen – eine Klage der rechtsextremen Pseudogewerkschaft Manos Limpias (Saubere Hände) zu. Darin wird Gómez „Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben“ vorgeworfen.

Die Gruppe Manos Limpias bringt seit Jahren rechte Anliegen und Politiker, die der Rechten verhasst sind, vor Gericht. Bis auf ganz wenige Ausnahmen scheiterten die Klagen. Doch derweilen nutzen rechte Talkshow-Teilnehmer das, um ordentlich Stimmung zu machen.

Als Belege für die Anschuldigungen gegen Gómez liefert Manos Limpias nur Artikel aus Internetseiten. In einem Text geht es etwa um die Genehmigung von öffentlichen Subventionen für Begoña Gómez. Und das, obwohl sich längst herausgestellt hat, dass es sich in diesem Fall um eine völlig andere Person in Nordspanien handelt.

Bei der wichtigsten Anschuldigung geht es um ein Hilfspaket in Form eines Kredites von über 600 Millionen Euro für die zweitgrößte spanische Fluggesellschaft, Air Europa. Es handle sich, so die rechte Presse, auf deren Recherchen sich die gesamte Kampagne stützt, um einen Fall von Einflussnahme durch Gómez auf Ehemann und Regierung.

Die 49-Jährige, die seit Jahren im Marketingbereich für Banken und allerlei NGOs arbeitet, hatte tatsächlich Geschäftsverbindungen zu einer Tochter des Reiseunternehmens Globalia, zu dem auch Air Europa gehört. Sie hatte kurz vor der Pandemie für das Unternehmensinstitut ein Stipendienprogramm für Studenten aus Afrika ausgehandelt. Es wurde allerdings wegen Covid nie umgesetzt. Der einzige Betrag, der letztlich floss, war der für zwei Flugtickets.

Air Europa zahlte für den Kredit, für den auch die rechte Opposition stimmte, mittlerweile 66 Millionen Euro an Zinsen und 25 Millionen Euro an Raten.

Sánchez sieht sich als Opfer „einer Strategie der Hetze und Zerstörung“ gegen ihn, seine Politik und nun auch seine Familie. Seit Monaten schießt sich die Rechte auf seine Frau ein.

Sánchez wirft dem Vorsitzenden der rechten Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, und seinem Kollegen bei der rechtsextremen VOX, Santiago Abascal, vor, „nützliche Kollaborateure einer rechtsextremen digitalen Galaxie und der Organisation Manos Limpias“ zu sein.

Feijóo und Abascal sprachen nach der Veröffentlichung des offenen Briefes von einem „Theater“, das Pedro Sánchez aufführe, um von den schweren Vorwürfen abzulenken, und sie forderten einmal mehr dessen Rücktritt.

Jetzt warten in Spanien alle gespannt auf Montag. Wird Sánchez zurücktreten? Die Vertrauensfrage im Parlament stellen? Kommt es zu Neuwahlen? Den Talkshows geht der Spekulationsstoff übers Wochenende sicher nicht aus.