Die Wahrheit: Auf Hörnchenvisite bei Merz
Der Wahrheit-Hausbesuch: Alles über den großen CDU-Chef aus dem sauerländischen Brilon, der beim Frühstück mit knallharten Fragen geröstet wird.
Welcher Babyboomer träumte nicht schon im frühen Kindesalter davon, einmal hinten auf dem Müllwagen von Tonne zu Tonne zu surfen? So wie das die coolen Müllwerker machen, wenn sie durch die Straße gepoltert kommen? Nein, dieser Traum hat sich für Friedrich Merz nie erfüllt. Statt zur Müllabfuhr ging er in die Politik. Bis zum CDU-Vorsitzenden hat es der heute 68-Jährige gebracht. Aber kann der gebürtige Lulatsch aus dem Sauerland auch Kanzler? Wir haben Friedrich Merz in seiner Heimatstadt Brilon besucht.
Feststellen können wir dort aber zunächst bloß: Brilons Müllwagen surfen dürfen nach wie vor nur die anderen. Schon sehen wir sie auf ihrem rumpeligen Gefährt um die Ecke biegen. Hei, wie behände die starken Männer in Orange nach jeder Leerung wieder auf die Tritte springen! Hossa, wie aufreizend lässig sie, mit nur einer Hand am Griff, die Straße entlang gleiten. Nur noch wenige Mülltonnen trennen sie jetzt von der, die wir gerade „durchwühlen“, wie das ihr Eigentümer wohl abfällig nennen würde.
Doch auf die Schnelle ist nichts journalistisch Verwertbares im Abfall von Friedrich Merz zu finden. Wir klopfen an seine Haustür: „Aufmachen! Presse!“ Seine Frau öffnet. „Der ist kurz Brötchen holen“, lässt uns Charlotte Merz wissen, während sie die frisch geleerte Tonne in den Unterstand zerrt. Und tatsächlich. Der Hangar ist leer, die Start- und Landebahn hinterm Haus verwaist. Schlaff hängt ein Windsack an seinem Mast.
„Kaffee?“, fragt uns Frau Merz und bittet zum Frühstück in den Tower. „Vielen Dank, verehrte Frau künftige Kanzlersgattin“, was sich die Mittsechzigerin allerdings resolut verbittet. „Dazu kann es, wenn überhaupt, nur mit Zustimmung der Faschisten kommen. Was für Friedrich, wie ich ihn zärtlich nenne, selbstredend kein Problem, für mich aber ein Scheidungsgrund wäre“, gibt sie sich so stabil wie eins dieser filigranen Metallteile aus den gleichnamigen Baukästen unserer Jugend.
Perfekter Bohnenkaffee
Ob auch Merz früher damit gespielt hat? Oder war er eher der Kindstyp Lego? Und das ist nur eine der knallharten Fragen, mit denen wir Merz gleich rösten wollen. Die anderen lauten: Pelikan oder Geha? Pepsi oder Cola? Fix oder Foxi? Nur müsste der Oppositionsführer dazu endlich mal hier aufschlagen. Auch ein paar Brötchen zum allerdings perfekt aufgebrühten Bohnenkaffee wären nicht schlecht.
Dann ist es so weit: Die Diamond DA62 schwebt ein, und dem weltberühmten silbernen Flugzeug entsteigt, Bäckertüte unterm Arm, der wahrscheinlich längste Bundeskanzler der Welt; so er es denn mal werden sollte. Auf sein Outfit angesprochen – Adiletten, kurze Hose und das neue Auswärtstrikot der Nationalmannschaft – reißt Friedrich Merz einen ersten von gefühlt 3.000 Glatzenwitzen, die später noch folgen: „Mir steht eigentlich alles. Außer natürlich meine Frisur vor Schreck zu Berge.“ Köstlich!
Endlich gibt’s mal was zu beißen. Charlotte Merz hat alles aufgefahren, was zu einem deftigen Sauerländer Frühstück gehört: Kaba, Schinken, Feuerwehrmarmelade, wie sie hier zum rohen Mettfleisch sagen. Den Leberwurstsaft nicht zu vergessen. Mit ganzen Stücken, versteht sich
Gewetzte Messer
Was ihn an seiner Frau am meisten nerve, fragen wir Merz, während die nebenan die Zwiebelmesser wetzt. „Dass sie auf unseren Wanderungen durchs Sauerland immer allen Müll aufliest, der da so rumliegt. Plogging nennt sie das, was laut Wikipedia ‚ein Kofferwort ist, gebildet aus den Bestandteilen Plocka und Jogging, steht für eine Natursportart, bei der – mit Handschuhen sowie Abfallbehältnissen ausgestattet – die Vermüllung der Landschaft bekämpft sowie der Müll dem Recyclingkreislauf zugeführt wird.‘ Aber wenn ich das noch hinzufügen darf: Ständig ist deshalb unsere gelbe Tonne voll.“
„Wohin steuert die CDU?“, wollen wir dann spaßeshalber von dem Strategen wissen. Merz lässt ein paar Takte Taylor Swift im Hintergrundradio WDR2 verstreichen, ehe er mit der seinen Augen so eigenen Basedowigkeit im lang gezogenen Gesicht antwortet: „Wenn du das Hemd am Anfang falsch zuknöpfst, kriegst du es oben nicht mehr zu.“ Ein Satz, der uns irgendwie bekannt vorkommt. Kein Wunder, er stammt von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der ihn gern im Fernsehen sagt. Hat Merz ihn dort auch gesehen? Und – so wie wir – alle Kernaussagen seines alerten Brillendoubles mitgeschrieben?
Wir verkneifen uns die Frage, wollen stattdessen wissen: „Ist vielleicht das Mohnhörnchen noch zu haben?“ Doch der feine Herr Merz besteht selbst drauf, bietet uns stattdessen die weichen Schrippen an, behauptet frech, die seien „auch ganz lecker“, während er die butterbeschmierte Hörnchenspitze in den Honigtopf tunkt und genüsslich abbeißt.
Wir hatten es geahnt: So einer ist der Merz also. Selbst schuld, wer den wählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies