Duell mit einem Faschisten

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt wollte AfD-Rechtsaußen Björn Höcke im Fernsehen stellen. Immerhin: Die Katastrophe blieb aus. Aber gut ist das noch lange nicht

AfD-Mann Björn Höcke (im Bild vorn) und Mario Voigt (CDU) beim Fernsehduell im Welt-TV-Studio Foto: Michael Kappeler/dpa

Von Sabine am Orde

Nachdem schon in der Nacht massenhaft Lobeshymnen und Verrisse gepostet wurden, geht am Tag danach der Kampf um die Deutungshoheit weiter. Mario Voigt, CDU-Landeschef in Thüringen und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl im September, hat Freitagfrüh zum Hintergrundgespräch geladen. Daraus zitiert werden darf nur das, was im Anschluss freigegeben wird. Deshalb nur so viel: Der CDU-Mann gibt sich zufrieden mit sich und dem Fernsehduell, das er sich am Donnerstagabend zur besten Sendezeit bei Welt TV mit seinem Gegenkandidaten von der AfD, Björn Höcke, geliefert hat. Ausgerechnet Höcke, einer der Radikalsten der AfD, der vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird. „Das ist der richtige Weg“, sagt Voigt. „Die Unterschiede sind deutlich geworden.“

Als besonders wichtig wertet der CDU-Mann, dass Höcke den Begriff „Remigration“ umgedeutet habe, als er und die beiden Mo­de­ra­to­r*in­nen ihn damit konfrontierten. „Remigration“ bedeutet für die Neue Rechte gemeinhin die millionenfache Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund, auch solcher mit deutschem Pass. Höcke hatte das schon 2018 in einem Buch klar ausgeführt. Im Duell soll es nun plötzlich um Deutsche gehen, die ins Ausland abgewandert sind und zurückgeholt werden sollen. „Damit wird Höcke unglaubwürdig, in seiner Community wird ihm das langfristig schaden“, sagt Voigt.

Der Kommunikationsberater Johannes Hillje, der sich schon lange mit der AfD beschäftigt, dagegen meint: „Höcke hat ein taktisches Verhalten zur eigenen Position und ist damit wieder durchgekommen.“ Und Selbstverharmlosung – also der Versuch, die eigene Agenda weniger radikal erscheinen zu lassen, um breitere Gruppen anzusprechen – sei für Rechtsextremisten eben eine wichtige Strategie.

Das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich man auf das blicken kann, was sich da am Donnerstagabend 71 Minuten lang abgespielt hat. Es ging um Europa, Migration und Erinnerungskultur. Immerhin: Die Katas­tro­phe ist ausgeblieben. Auch wenn Mario Voigt brauchte, um den richtigen Ton zu finden und beim Thema Wirtschaft ins Straucheln geriet, verloren hat er den Zweikampf nicht. Doch gut ist damit noch lange nichts.

Für Voigt allerdings hat sich der Abend bereits gelohnt, strategisch ging es für ihn um zweierlei: bekannter zu werden und Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) als Hauptgegner abzuräumen. Die AfD liegt in den Umfragen zwar deutlich vorne, da aber niemand mit ihr koalieren will, wird der Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten wohl zwischen CDU und Linken ausgetragen. Mario Voigt will deshalb die Landtagswahl zu einem Duell zwischen CDU und AfD machen. Wer den Rechtsextremisten Höcke verhindern will, muss für die CDU stimmen, das soll die Message an die Wäh­le­r*in­nen sein.

„Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen. Das muss ich nicht machen, das hat ein Gericht schon gemacht“, sagt Voigt über Höcke irgendwann im Duell. Dass er für seine eigene Profilierung in Kauf nimmt, diesem Faschisten ein bundesweites Podium zu bieten, das Höcke als ganz normalen Mitbewerber erscheinen lässt und Rechtsextremismus so normalisiert, wurde schon im Vorfeld heftig kritisiert. Höcke bespielt das auch damit, dass er den Christdemokraten penetrant „Kollege Voigt“ nennt. Dass all dies ausgerechnet am Jahrestag der Befreiung des Thüringer Konzentrationslagers Buchenwald passiert, kommt noch hinzu.

Andere hatten Voigt zu seinem Mut gratuliert. Kommunikationsberater Hillje ärgert das. „Es ist nicht gelungen, Björn Höcke inhaltlich zu entlarven, wie Voigt das selbsterhöhend versprochen hat“, sagt er. Die Unterschiede seien bereits vorher klar gewesen. Höcke habe „gelogen, verdreht, verharmlost“ und sei damit durchgekommen. In Bedrängnis gekommen sei der Rechtsextremist nicht bei inhaltlichen, sondern ideologischen Fragen, wie etwa der Erinnerungspolitik.

Was die Frage aufwirft, ob man einen wie Höcke in einem solchen TV-Format überhaupt inhaltlich stellen kann. Johannes Hillje meint, am Donnerstag hat es keinen Gewinner gegeben. Und fügt hinzu: „Wenn es zwischen einem Demokraten und einem Rechtsextremisten keinen Gewinner gibt, ist das schlecht für die Demokratie.“