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Mit dem Code zum Weltklassespieler

Fußball-Erstligist Mainz 05 setzt im Abstiegskampf auf spielerische Mittel und den 19-jährigen Brajan Gruda

Von Frank Hellmann

Wer ins Gesicht von Brajan Gruda schaut, dem fällt immer noch die Narbe neben der Nase ins Auge. Der 19-jährige Jungprofi des FSV Mainz 05 hätte auf das markante Erkennungszeichen mitten im Abstiegskampf natürlich gerne verzichtet. Knapp zwei Monate ist es jetzt her, dass ihm die Stollen eines Mitspielers beim Aufwärmspielchen die rechte Gesichtshälfte aufschlitzten. Vorstand Christian Heidel schaute dem Krankenwagen hinterher und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Ich habe gedacht, der spielt die nächsten zehn Wochen kein Fußball mehr.“ Doch bereits am selben Abend sollte Gruda signalisieren, im Heimspiel gegen den FC Augsburg (1:0) auflaufen zu wollen.

Eine „grenzwertige Entscheidung“ (Heidel), zumal Gruda den Rat eines plastischen Chirurgen missachtete, doch wenigstens eine Schutzmaske zu tragen. Seitdem erwähnt Trainer Bo Henriksen immer wieder dessen Namen, wenn es vor dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (Samstag 15.30 Uhr) um seine Unterschiedsspieler geht.

Im Nachbarschaftsduell ­gegen den SV Darmstadt 98 (4:0) hatte der Edeltechniker wieder an den legendären Dribbelkünstler Pierre Littbarski erinnert. Genau wie der Kölner Rechtsaußen ist auch Gruda mit einem niedrigen Körperschwerpunkt und einer enormen Kreativität gesegnet, die es gerade großen Gegnern unmöglich macht, seine Finten auch nur im Ansatz zu erahnen.

Gruda entstammt dem Mainzer Jahrgang, der im vergangenen Jahr mit den U19-Junioren den deutschen Meistertitel gewann. Während er inzwischen in der Bundesliga und der deutschen U21-Nationalmannschaft spielt, haben die direkten Nachfolger kürzlich in der Youth League für Aufsehen gesorgt. In nur wenigen Klubs ist die Durchlässigkeit in den Profibereich so groß wie bei den Nullfünfern.

Gruda hat unter drei Mainzer Cheftrainerin – Bo Svensson, Jan Siewert wie auch Henriksen – immer mal wieder auf der Bank gesessen, weil seinem Spiel mitunter die Effektivität abging. Aber wer nach 25 Bundesligaspielen bei zwei Toren, zwei Vorlagen und unzähligen Solos steht, hat so viel nicht falsch gemacht. „Was für ein toller Junge, was für ein junger Kerl. Er tut alles für uns, er gibt immer sein Bestes“, schwärmte Henriksen zuletzt. „Wenn er den Code knackt, um vor dem Tor die richtigen Entscheidungen zu treffen, wird er ein Weltklassefußballer.“ Der Däne neigt zum Überschwang, aber schon Thomas Müller hat ähnliche Andeutungen gemacht, als Gruda trotz einer Lehrstunde beim FC Bayern (1:8) in einzelnen Sequenzen brillierte. Deshalb postete Bayern-Star Müller im Anschluss ein Bild von sich mit dem Gruda-Trikot.

Dessen Arbeitgeber hat sich längst entschieden, den Ligaverbleib vorrangig mit spielerischen Mitteln zu bewerkstelligen. Kein anderer Abstiegskandidat vereint mit Spielern wie Nadiem Amiri, Jae-Sung Lee, Jonathan Burkardt und eben Gruda so viel individuelle Klasse. Das Eigengewächs kennt seinen Auftrag in dieser Combo. „Der Trainer hat mir gesagt, dass ich defensiv sehr viel laufen und ackern soll. Und dass ich dann vorne machen kann, was ich will. Er glaubt an mich, und auch ich soll ‚believen‘!“

Der Deutsch-Albaner musste vergangenen Samstag auf den Zaun klettern und die „Humba“-Hymne singen, weil die Fans danach verlangten. Hinterher war er so heiser, dass er kaum ein Wort herausbrachte. In die Mixed Zone kam er dennoch. Angeschlagene Stimmbänder wären für Brajan Gruda der letzte Grund, nicht seinen Mann zu stehen.

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