Reformierte Rückgabe von NS-Raubkunst: Gerechtigkeit für Madame Soler

Die Rechte der Eigentümer von NS-Raubkunst werden gestärkt – gut so. Jetzt kommt es aber auf die Details der Neuregelung an.

Eine Besucherin in einer Kunstausstellung.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben 1964 Picassos „Madame Soler“ für 1,6 Millionen D-Mark gekauft Foto: Felix Hörhager/dpa

In der Münchner Pinakothek der Moderne hängt ein Porträt, das Picasso 1903 von der Gattin eines Bekannten schuf, „Madame Soler“ genannt. Dieser leicht verkniffen dreinschauenden Dame könnte bald Gerechtigkeit widerfahren – endlich. Bis heute ist nämlich strittig, ob das Gemälde von den Nazis seinem jüdischen Eigentümer geraubt worden ist, so wie Hunderttausende weitere Kunstwerke. Eigentlich existiert seit 20 Jahren ein Gremium, das darüber entscheiden könnte, die Beratende Kommission.

Doch sie darf nicht. Ein Verfahren kann erst dann beginnen, wenn auch die jetzigen Besitzer dem zustimmen. Das verweigern die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der Freistaat. Das ist so ähnlich, als hätte ein Angeklagter in einem Strafprozess das Recht, sein Verfahren zu stoppen.

Doch damit ist jetzt endlich Schluss. Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass über NS-Raubkunst im öffentlichen Besitz auch dann entschieden werden kann, wenn sich der jetzige Besitzer dem Verfahren verweigert. Damit ist absehbar, dass die Herkunft von „Madame Soler“ überprüft wird, was die Erben des jüdischen Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy schon lange fordern. Vor allem aber können nun viele bisher unbekannte Fälle von Naziraubgut endlich einer gerechten Lösung zugeführt werden.

Ist nun also alles gut? Das wird sich erweisen. Denn nicht nur verschwindet das Vetorecht mutmaßlicher Profiteure von Naziunrecht. Auch die bisherige Beratende Kommission wird aufgelöst. An ihre Stelle tritt ein Schiedsgericht, dessen Größe und personelle Zusammensetzung erst noch geklärt werden müssen. Es ist nicht zu erwarten, dass der Freistaat Bayern im Fall von „Madame Soler“ kleinlaut beidreht, ohne an anderer Stelle etwas einzufordern.

Mit einem zahnlosen Schiedsgericht, das mehr die Interessen der Museen vertritt, weniger aber die der bestohlenen Jüdinnen und Juden und ihrer Nachkommen, wäre nicht viel gewonnen. In den nächsten Monaten wird klar werden, wie sich das Schiedsgericht zusammensetzt – und aus wem. Wem Gerechtigkeit für die Opfer der Nazis am Herzen liegt, der sollte genau hinschauen, wer da berufen wird.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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