Editorial: Mamba beim VfB
Der VfB und Stuttgart 21 hatten schon immer eine besondere Beziehung. Zuerst wurde der ehemalige S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich VfB-Präsident, jetzt ist Tanja Gönner Aufsichtsratsvorsitzende und Nachfolgerin von Claus Vogt in diesem Amt. Seitdem brennt in der Mercedesstraße die Hütte.
Nun wollen wir an dieser Stelle nicht den Intrigantenstadl VfB beleuchten, sondern die Politkerin und Lobbyistin. Vor allem bei Stuttgart-21-Gegner:innen ist Gönner, derzeit Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), bekannt: 2004 war das CDU-Gewächs Sozialministerin von Baden-Württemberg (unter Ministerpräsident Erwin Teufel), dann Umweltministerin bis 2010 (unter Günther Oettinger) und bis Mai 2011 im Kurzzeit-Kabinett von Stefan Mappus Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Tanja Gönner, auch „die schwarze Mamba“ genannt, galt als Hardlinerin für das Immobilienprojekt Stuttgart 21.
Knatsch gab es vor allem darum: Gemeinsam mit Stuttgart-21-Architekt Christoph Ingenhoven saß Gönner im Rat einer Stiftung namens „Lebendige Stadt“, gegründet vom Versandhauserben Alexander Otto, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der ECE. Die ECE baut unter anderem Shopping Malls, die Stiftung soll den Acker pflügen für ECE-Interessen. In Stuttgart kam dabei das Milaneo im überaus lebendigen Europa-Viertel heraus, ein Beton-Klotz in einer Beton-Wüste auf dem früheren Güterbahnhofsgelände an der Heilbronner Straße in Stuttgart-Mitte.
Gönners Sprach-Duktus und Rhetorik („Ich wärrrbe dafür...“) inspirierten damals so manche Satiriker:innen, auch Christine Prayon: Die Kabarettistin ist mit ihrer Gönner-Parodie berühmt geworden. Uraufgeführt im März 2011, auf der 68. Montagsdemo gegen Stuttgart 21. Am vergangenen Montag stieg die – halten Sie sich fest – 700. Demo dieser Art. Wahnsinn. Zu Gast: Theater-Regisseur Volker Lösch („S 21 ist ein Dauerfiasko zum Fremdschämen“) und Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, die gerade gegen die Kappung der Gäubahn klagt.
2011 ist auch das Gründungsjahr von Kontext. „Ein verflixtes erstes Jahr“ sei das gewesen, erinnert sich Kontext-Mitgründerin Susanne Stiefel in einem Gespräch mit der Branchenzeitung „Journalist“ vom Deutscher Journalisten-Verband (DJV), die sich mit dem gemeinnützigen Journalismus befasst. Kontext wird da als ein „großes Vorbild“ des neuen Branchenzweigs genannt, als „Stuttgarter Wochenzeitung, die den Mächtigen ... auf die Nerven geht.“ Was für ein schönes Kompliment.
Wie wichtig es ist, den Mächtigen auf die Nerven zu gehen, zeigt derzeit die unterirdische Diskussion um einen Abschliff des Streikrechts. Geht‘s noch?, fragt da zu Recht unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer. Und was machen eigentlich AfDler, die kein Mandat mehr haben? Sie werden Verleger, wie Lucius Teidelbaum beschreibt. Da loben wir uns doch die Bücher, die nicht aus dem rechten Gerhard-Hess-Verlag kommen. „Bloch, Jens und Mayer“ heißt das neueste Werk der Edition Klöpfer des Alfred Kröner Verlags rund um die drei großen und gefeierten Denker aus Tübingen. „Tübingen ist keine Stadt, sondern ein geistiger Zustand“, schreibt Josef-Otto Freudenreich. Und stellt fest: „In echt sind Boris Palmer und Lisa Federle viel berühmter“ als das gerade publizistisch gerühmte Triumvirat desWeltgeists.
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