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Archiv-Artikel

Ackern im Garten

Ferien in der Kleingartenkolonie. Für viele Migranten ist das bisschen Grün der beste Ort, um in der neuen Heimat anzukommen. Deshalb werden die multikulturellen Gärten von Berlin auch gefördert

VON ELISABETH MEYER-RENSCHHAUSEN

Eine Radtour entlang der Wuhle bringt uns zum interkulturellen Garten in Köpenick. Samstagnachmittag: Das Tor ist nur angelehnt, man nickt uns freundlich zu. Unbekannte Gäste gehören dazu. Lydia steht vor ihrem großen Beet und wässert ihre neu gesetzten Erdbeeren. Juri zimmert die Beeteinfassung aus Baumscheiben und Brettern. In der Mitte des großen Beetes ist eine runde Erhöhung, auf der bereits einige Stiefmütterchen blühen. Lydia und Juri sind erst seit einem Jahr dabei. Sie stammen aus Russland und sprechen noch kaum Deutsch. Am anderen Ende des Areals arbeitet Wy aus Vietnam. Zwei weitere Vietnamesen sind wieder ausgeschieden. Sie haben eine Anstellung in einem Imbiss bekommen und schaffen es nicht mehr. Aber es gibt genug Interessenten. Alle Parzellen sind wieder vergeben.

Jetzt kommt auch Carlos in den Wuhlegarten, der neue Wortführer der Gruppe. Carlos ist erst vor einem Jahr aus Argentinien gekommen, spricht aber dank seiner schlesischen Eltern, die 1945 nach Argentinien auswanderten, Deutsch. „Wir haben hier 18 Parzellen auf insgesamt 4.000 Quadratmeter, und letztes Jahr bekamen wir 10 Tonnen Erde vom Bezirksamt, umsonst.“ Die Philosophie auf kommunaler Ebene sei, etwas für die Umwelt zu machen, entsprechend der Vereinbarung auf dem Weltumweltgipfel in Rio 1992. Und zur Nachhaltigkeit gehört auch, sich um die Menschen zu kümmern, also sich gleichzeitig um Integration der Migranten zu bemühen.

„Wir sind jetzt dabei, ein selbstständiger Verein zu werden, und wir haben auch schon einen Vorstand eingesetzt, das heißt natürlich gewählt“, sagt Carlos. Es ist ein noch vorläufiger Vorstand. „Im Vorstand ist einer aus Bosnien, zwei sind aus Vietnam, zwei aus der Ukraine bzw. Russland, einer ist aus Argentinien, und ein Deutscher ist auch dabei“, listet Carlos auf. Man trifft sich jede Woche einmal. Und alle vier bis sechs Wochen gibt es eine Vollversammlung. Dann kocht eine Familie für alle. „Letztes Mal haben die Polen das übernommen. Es gab Bigosch“, berichtet Carlos.

Der Wuhlegarten wurde – nach dem Vorbild des internationalen Gartens in Göttingen – vor drei Jahren von der Köpenicker Agenda-21-Gruppe ins Leben gerufen. Erst jetzt ist der Wuhlegarten ganz in die Hände der Gärtnergruppe übergeben worden.

Während Carlos mit den neuen Besuchern plaudert, jätet Maria Unkraut. Marias Beete sehen picobello aus, sie hat Liebstöckel, Zwiebeln, Lauch und anderes. „Ich hatte vorher keine Ahnung vom Pflanzen und Gärtnern“, erzählt mir Maria, „ich komme aus Buenos Aires und habe da immer nur im Büro gearbeitet.“ Über die Ausländerberatung hörte sie von dem interkulturellen Garten und bewarb sich auf eine der fünf ABM-Stellen, die das Köpenicker-Agenda-21-Büro im letzten Jahr noch für Tätigkeiten im Umweltbereich zur Verfügung stellen konnte. Auf dieser Stelle hat sie viel vom Gärtnern gelernt. Was sie nicht über die ABM-Stelle lernen konnten, lernen sie jetzt teilweise von den jungen Deutschen, denen sie erlaubt haben, auf den Gemeinschaftsbeeten mitzumachen.

Brigitta, eine von ihnen, ist Botanikerin, die anderen beiden sind ebenfalls vom Fach und Enthusiasten der Bewahrung alten Saatguts. Ich frage, wie viel Geld sie zur Unterhaltung des Gartens brauchen. Der Wuhlegarten hatte das Glück, durch die Stiftung Interkultur aus München und aus dem Bundesumweltministerium eine hohe Anschubfinanzierung zu bekommen. Die örtlichen Vereine, die Agenda-21-Gruppe Köpenick und die Indische Solidaritätsaktion, setzten sich für ABM-Stellen für erwerbslose Mitarbeiterinnen ein. Aber Carlos meint: „Wir brauchen kein Geld. Die Wasserpumpe, die das Grundwasser zur Bewässerung hochholt, kostet im Jahr 600 Euro Strom. Dazu kommt zurzeit nur noch das Mietklo, das kostet 50 Euro im Monat, einmal pro Woche Entsorgung.“ Für ein Kompostklo ist die Grube schon ausgehoben. Aber dann erwies es sich doch als zu teuer: 2.000 Euro. Jetzt haben sie beim Bezirksamt erst einmal beantragt, das WC im leer stehenden Nachbarhaus benutzen zu dürfen und dafür das verwilderte Grün rund um das Haus zu pflegen. Der Grund, auf dem der Wuhlegarten liegt, gehört der Kirche, die auf eine Pacht verzichtet. Das Geld für die Wasserpumpe wollen sie aufbringen, indem sie jetzt auch Mitglieder ohne eigenes Beet aufnehmen.

15 Euro kostet die Mitgliedschaft ohne Beet pro Jahr, für die anderen 30. Die Mitglieder können sich immer im Garten aufhalten und hier etwa ihre Geburtstagspartys feiern. Der vordere Teil des Gartens besteht aus einem großen Rasen und Blumenbeeteareal mit Gartenlaube und Benutzertagebuch. Ein Grillofen steht da schon, ein Lehmofen soll demnächst hinzukommen.

Gleich hinter mir ist eine weitere kleine Besuchergruppe durchs Tor gekommen. Ein russisch-litauisches Paar. Carlos nimmt sich ihrer an: „Zurzeit haben wir leider keine Parzellen frei, aber wenn es Sie auch interessierte, erst mal auf den Gemeinschaftsbeeten mitzuarbeiten, dann können Sie gleich mitmachen.“ Die beiden, die sich bereits bei der Kastanie unterm Sonnenzelt informiert haben, nicken. „Ja“, sagt Carlos, „das habe ich auch bei meiner Frau Maria gesehen. Das mit der Sprache und so, das ist nicht so wichtig. Das Wichtigste ist, dass durch die gemeinsame Arbeit das Selbstwertgefühl wieder steigt. Man fängt an, sich zu verwurzeln.“